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Anna Karenina

Anna Karenina

Titel: Anna Karenina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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zu antworten und wandte sich im Bewußtsein seiner Schwäche von ihr ab.
    »Ich habe ein Weilchen geschlummert, Konstantin!« sagte sie. »Und jetzt ist mir so wohl.«
    Sie sah ihn an; aber auf einmal änderte sich der Ausdruck ihres Gesichtes.
    »Gebt ihn mir her«, sagte sie, als sie das Quäken des Kindes hörte. »Geben Sie ihn mir her, Jelisaweta Petrowna;
    er soll ihn auch sehen.«
    »Ei gewiß, der Papa soll ihn auch sehen«, erwiderte Jelisaweta Petrowna, indem sie ein sonderbares, rotes,
    zappelndes Ding in die Höhe hob und näher brachte. »Aber einen Augenblick Geduld! Wir wollen uns erst
    zurechtmachen.« Und Jelisaweta Petrowna legte dieses rote, zappelnde Ding auf das Bett und machte sich daran, es
    auszuwickeln, mit irgend etwas zu bestreuen und wieder einzuwickeln, wobei sie es mit einem Finger hob und
    drehte.
    Beim Anblick dieses winzigen, kläglichen Geschöpfchens strengte Ljewin sich vergeblich an, in seinem Herzen
    irgendwelche Spuren väterlicher Liebe zu ihm zu entdecken. Er empfand gegen dieses kleine Wesen nur eine Art von
    Widerwillen. Aber als es nackt dalag und die dünnen, ach, so dünnen Ärmchen ein Weilchen sichtbar waren und die
    safranfarbenen Füßchen, auch diese mit Zehen versehen, und sogar mit einer großen Zehe, die sich vor den andern
    auszeichnete, und als er sah, wie Jelisaweta Petrowna diese sich sträubenden Ärmchen wie weiche Sprungfedern
    zusammendrückte und in die leinenen Hüllen sperrte, da überkam ihn ein solches Mitleid mit diesem Geschöpfchen und
    eine solche Angst, sie könne ihm Schaden tun, daß er ihr die Hand festhielt.
    Jelisaweta Petrowna lachte.
    »Seien Sie unbesorgt, seien Sie unbesorgt!«
    Als das Kind zurechtgemacht und in ein festes Püppchen verwandelt war, schaukelte Jelisaweta Petrowna es hin und
    her, wie wenn sie auf ihr Werk stolz wäre, und trat dann mit dem Kinde ein wenig zurück, damit Ljewin seinen Sohn
    in seiner ganzen Schönheit betrachten könne.
    Auch Kitty blickte von der Seite unverwandt zu dem Kinde hin. »Gebt ihn mir, gebt ihn mir!« sagte sie und
    versuchte sogar, sich aufzurichten.
    »Was tun Sie, Katerina Alexandrowna? Sie dürfen sich nicht so bewegen! Warten Sie ein Augenblickchen; ich will
    ihn Ihnen gleich reichen. Erst wollen wir uns mal dem Papachen vorstellen, was wir für ein Prachtkerlchen
    sind.«
    Und Jelisaweta Petrowna hob auf der einen Hand (die andere stützte nur mit den Fingern von hinten das hin und
    her wackelnde Köpfchen) dieses seltsame, rote, wacklige Geschöpfchen, dessen Kopf sich hinter dem Rande des
    Steckkissens verkroch, seinem Vater entgegen. Aber es war auch eine Nase da, und schielende Augen, und schmatzende
    Lippen.
    »Ein wunderschönes Kind!« sagte Jelisaweta Petrowna.
    Ljewin seufzte bedrückt. Dieses wunderschöne Kind flößte ihm nur ein Gefühl des Widerwillens und des Mitleids
    ein. Das war ganz und gar nicht das Gefühl, das er erwartet hatte.
    Er wendete sich ab, während Jelisaweta Petrowna das Kind an die ihm noch ungewohnte Mutterbrust legte.
    Auf einmal veranlaßte ihn ein Lachen, den Kopf aufzuheben. Es war Kitty gewesen, die so gelacht hatte. Das Kind
    hatte die Brust angenommen.
    »Na, nun ist's aber genug, nun ist's genug«, sagte Jelisaweta Petrowna; aber Kitty ließ den Kleinen nicht los.
    Er schlief in ihren Armen ein.
    »Nun sieh ihn einmal jetzt an«, sagte Kitty und wendete ihm das Kind so zu, daß er es sehen konnte. Das
    greisenhafte Gesichtchen runzelte sich auf einmal noch mehr zusammen, und das Kind nieste.
    Lächelnd und kaum imstande, die Tränen der Rührung zurückzuhalten, küßte Ljewin seine Frau und verließ das
    verdunkelte Zimmer.
    Was er gegen dieses kleine Wesen empfand, war ganz und gar nicht das, was er erwartet hatte. Es lag in diesem
    Gefühle nichts Heiteres und Fröhliches; im Gegenteil, es war eine neue beängstigende Sorge hinzugekommen. Ljewin
    war sich bewußt, eine neue verwundbare Stelle bekommen zu haben. Und dieses Bewußtsein war ihm in der ersten Zeit
    so quälend, die Furcht, dieses hilflose Wesen könne Schmerz leiden, war bei ihm so mächtig, daß das sonderbare
    Gefühl einer sinnlosen Freude, ja eines gewissen Stolzes, als der Kleine geniest hatte, ganz davor zurücktrat.

17
    Stepan Arkadjewitschs Finanzen befanden sich in sehr üblem Zustande.
    Das Geld für zwei Drittel des Waldes war schon längst verbraucht, und mit einem Abzug von zehn Prozent hatte er
    von dem Händler auch fast den ganzen Preis für das letzte Drittel im

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