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Anna Karenina

Anna Karenina

Titel: Anna Karenina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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sich und war nahe daran zu weinen. Aber da fing sie plötzlich an
    zu überlegen, worüber wohl diese beiden jungen Mädchen da lächeln mochten. ›Gewiß über eine Liebesangelegenheit.
    Sie wissen nicht, wie trübe und erniedrigend das ist ... Da ist der Boulevard, eine Menge Kinder! Drei Knaben
    laufen da und spielen Pferdchen. Ach, Sergei! Und ich werde alles verlieren und meinen Sohn nicht wiederbekommen.
    Ja, alles ist verloren, wenn Wronski nicht zurückkommt. Möglicherweise ist er zum Zug zu spät gekommen und schon
    jetzt nach Hause zurückgekehrt. Du trägst wie der nach neuen Demütigungen Verlangen!‹ sagte sie zu sich selbst.
    ›Nein, ich will zu Dolly gehen und ihr offen sagen: »Ich bin unglücklich; ich habe es verdient; ich bin selbst
    schuld daran. Aber bei alledem: ich bin unglücklich; hilf mir!« Diese Pferde, dieser Wagen – wie zuwider ich mir
    selbst in diesem Wagen bin; alles gehört ihm; aber ich werde das alles bald nicht mehr sehen.‹
    Damit beschäftigt, sich die Worte zurechtzulegen, mit denen sie Dolly alles mitteilen wollte, wobei sie
    absichtlich in den Wunden ihres Herzens wühlte, stieg Anna die Treppe hinauf.
    »Ist Besuch da?« fragte sie im Vorzimmer.
    »Katerina Alexandrowna Ljewina«, antwortete der Diener.
    ›Kitty! Dieselbe Kitty, in die Wronski verliebt gewesen ist!‹ dachte Anna. ›Dieselbe, deren er oft noch in Liebe
    gedacht hat. Er bedauert, daß er sie nicht geheiratet hat. Aber an mich denkt er nur mit einem Gefühl des Hasses
    und bereut es, daß er sich mit mir verbunden hat.‹
    Die beiden Schwestern führten, als Anna eintraf, gerade ein eifriges Gespräch über Säuglingsernährung. Dolly
    empfing den Besuch, der in diesem Augenblick ihr Gespräch störend unterbrach, allein im anstoßenden Zimmer.
    »Ah, du bist noch nicht abgereist? Ich hatte selbst vor, zu dir zu kommen«, sagte sie. »Ich habe heute einen
    Brief von Stiwa erhalten.«
    »Wir haben auch ein Telegramm von ihm bekommen«, erwiderte Anna und sah sich dabei um, ob Kitty nicht zu sehen
    sei.
    »Er schreibt, er könne gar nicht begreifen, was Alexei Alexandrowitsch eigentlich wolle; aber er werde nicht
    abreisen, ehe er nicht eine klare Antwort erhalten habe.«
    »Ich glaubte, du hättest Besuch. Kann ich den Brief lesen?«
    »Ja, Kitty ist da«, antwortete Dolly verlegen. »Sie ist im Kinderzimmer geblieben. Sie ist sehr krank
    gewesen.«
    »Ich habe davon gehört. Kann ich den Brief lesen?«
    »Ich will ihn dir gleich holen. Aber Alexei Alexandrowitsch spricht ja keine Weigerung aus; im Gegenteil, Stiwa
    hat Hoffnung«, sagte Dolly, in der Tür stehenbleibend.
    »Ich hoffe nichts mehr und wünsche nichts mehr«, versetzte Anna.
    ›Was bedeutet denn das?‹ dachte Anna, als sie allein geblieben war. ›Hält Kitty es ihrer für unwürdig, mit mir
    zusammenzutreffen? Vielleicht hat sie darin recht. Aber ihr, die in Wronski verliebt gewesen ist, steht es nicht
    an, mir ihre Geringschätzung zu zeigen, mag sie auch damit recht haben. Ich weiß, daß mich in meiner Lage keine
    anständige Frau empfangen kann. Ich weiß auch, daß ich ihm von jenem ersten Augenblick an alles geopfert habe. Und
    das ist nun mein Lohn! Oh, wie ich ihn hasse! Und wozu bin ich hierhergekommen? Hier ist mir nur noch schlimmer
    zumute, hier fühle ich mich nur noch mehr niedergedrückt.‹ Sie hörte von dem anderen Zimmer her die Stimmen der
    Schwestern, die miteinander sprachen. ›Und was soll ich jetzt zu Dolly sagen? Soll ich Kitty damit eine Genugtuung
    bereiten, daß ich sie sehen lasse, wie unglücklich ich bin? Soll ich mich von ihr beschützen lassen? Nein, auch
    Dolly wird für meine Verfassung kein Verständnis haben, und ich weiß gar nicht, was ich ihr sagen könnte. Es würde
    mich nur interessieren, Kitty zu sehen und ihr zu zeigen, wie ich jetzt alle und alles verachte, wie gleichgültig
    mir jetzt alles ist.‹
    Dolly kam mit dem Briefe wieder herein. Anna las ihn durch und reichte ihn ihr schweigend zurück.
    »Das habe ich alles gewußt«, sagte sie dann. »Und das alles ist für mich auch belanglos.«
    »Aber warum denn? Ich meinerseits habe Hoffnung«, erwiderte Dolly und blickte Anna prüfend an. Sie hatte sie
    noch nie in einem so sonderbaren, gereizten Zustand gesehen. »Wann reist du denn ab?« fragte sie.
    Anna blickte mit halb zugekniffenen Augen vor sich hin und antwortete nicht.
    »Warum versteckt sich denn Kitty vor mir?« fragte sie mit einem Blick nach der Tür und errötete.
    »Ach,

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