Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)
zurechtzumachen, er überlegte nicht, was sie nun weiter tun müßten; ja er war nicht einmal imstande, mit seiner Frau zu reden; er schämte sich. Kitty hingegen war noch geschäftiger und sogar noch lebhafter als sonst gewöhnlich. Sie ließ Abendessen bringen, packte selbst die Sachen aus, half selbst die Betten zurechtmachen, und vergaß nicht, sie mit Insektenpulver zu bestreuen. Es war an ihr jene Erregung und jene Schnelligkeit des Denkens wahrnehmbar, wie sie sich bei Männern vor einer Schlacht, vor einem Kampfe, in gefährlichen, entscheidenden Augenblicken des Lebens einstellen, in jenen Augenblicken, wo der Mann in unzweifelhafter Weise zeigt, daß er etwas wert ist und daß seine ganze Vergangenheit nicht eine nutzlos verbrachte Zeit, sondern eine Vorbereitung auf diese Augenblicke gewesen ist.
Alles ging ihr rasch von der Hand, und es war noch nicht zwölf Uhr, als alle Sachen bereits ausgepackt und sauber und ordentlich zurechtgelegt waren, und zwar in so eigenartiger Weise, daß diese Hotelzimmer mit ihrer eigenen Häuslichkeit, mit den Zimmern, in denen sie sonst waltete, eine gewisse Ähnlichkeit erhalten hatten: die Betten waren bereit, die Bürsten, Kämme und Spiegel zur Hand gelegt, Tücher über die Waschtische gebreitet.
Konstantin hatte die Vorstellung, daß es unverzeihlich sei, jetzt zu essen, schlafen zu gehen, ja selbst zu reden, und fand, daß jede seiner Bewegungen unpassend herauskam. Sie dagegen legte ihre Bürstchen zurecht, machte das aber so, daß für niemand etwas Verletzendes darin liegen konnte.
Zu essen jedoch waren sie beide nicht imstande und konnten, obwohl sie das Schlafengehen noch lange hinausgeschoben hatten, auch dann lange Zeit nicht einschlafen.
»Ich freue mich sehr, daß ich ihn überredet habe, morgen die Letzte Ölung zu empfangen«, sagte sie, während sie in der Nachtjacke vor ihrem zusammenlegbaren Spiegel saß und mit einem dichten Kamm ihr weiches, duftiges Haar auskämmte. »Ich habe das noch nie mit angesehen; aber ich weiß, daß dabei Gebete für die Genesung gesprochen werden; Mama hat es mir gesagt.«
»Meinst du denn wirklich, daß er wieder gesund werden kann?« fragte Konstantin und blickte auf den schmalen Scheitel hinten an ihrem rundlichen Köpfchen, der beständig verschwand, sobald sie den Kamm nach vorn führte.
»Ich habe den Arzt gefragt. Er sagte, er könne höchstens noch drei Tage leben. Aber können denn die Ärzte so etwas wissen? Jedenfalls freue ich mich sehr, daß ich ihn dazu überredet habe«, sagte sie, indem sie unter ihrem Haar hervor mit einem schrägen Blick nach ihrem Manne hinsah. »Möglich ist alles«, fügte sie mit jenem besonderen, ein wenig listigen Ausdruck hinzu, der immer auf ihrem Gesicht erschien, sobald sie von religiösen Dingen sprach.
Nach ihrem Gespräch über Religion, damals als sie noch Braut und Bräutigam waren, hatten weder er noch sie jemals wieder ein Gespräch über diesen Gegenstand herbeigeführt; aber sie erfüllte ihre religiöse Pflicht des Kirchenbesuches und des Betens immer mit dem gleichen ruhigen Bewußtsein, daß dies so sein müsse. Trotz seiner Versicherung des Gegenteils war sie fest davon überzeugt, daß er ein ebenso guter und sogar noch besserer Christ sei als sie selbst und daß alles, was er darüber sage, nur zu den komischen Späßen gehöre, die er und andere Männer so gern machten, gerade wie wenn er zu ihrer Handarbeit bemerkte, vernünftige Leute stopften die Löcher und sie schnitte absichtlich welche hinein, und so weiter.
»Ja, diese Frauensperson, diese Marja Nikolajewna, hat es nicht verstanden, alles ordentlich einzurichten«, sagte Konstantin. »Und ... ich muß gestehen, ich freue mich sehr, sehr freue ich mich, daß du mitgekommen bist. Du bist ein solcher Inbegriff von Reinheit, daß ...« Er ergriff ihre Hand, küßte sie aber nicht (ihre Hand zu küssen bei solcher Nähe des Todes schien ihm unschicklich), sondern drückte sie ihr nur, wobei er ihr mit schuldbewußter Miene in die aufleuchtenden Augen blickte.
»Du hättest gar zuviel Qual ausgestanden, wenn du allein hier gewesen wärest«, sagte sie, hob die Arme, die ihre vor Freude errötenden Wangen verdeckten, wickelte am Hinterkopfe ihre Zöpfe zusammen und steckte sie mit Haarnadeln fest. »Nein«, fuhr sie fort, »das hat sie nicht verstanden ... Ich habe zum Glück viel davon in Soden gelernt.«
»Waren denn da so schwer Kranke?«
»Noch
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