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Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Titel: Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Tolstoi
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unter dem Arm. Laska sprang zu ihm, begrüßte ihn und fragte ihn umherspringend auf ihre Weise, ob die andern nicht auch bald kämen; aber da sie von ihm keine Antwort erhielt, so kehrte sie auf ihren Warteposten zurück und saß wieder regungslos, den Kopf zur Seite geneigt und das eine Ohr gespitzt. Endlich öffnete sich mit lautem Geräusch die Tür von neuem, und heraus flog, sich kreiselnd und in der Luft herumdrehend, Stepan Arkadjewitschs blaßgelb gescheckter Schweißhund Crack; dann folgte Stepan Arkadjewitsch selbst, die Flinte in der Hand und die Zigarre im Munde. »C'est bien, c'est bien 1 , Crack!« rief er dem Hunde freundlich zu, der ihm die Pfoten gegen den Leib und die Brust setzte und sich dabei mit ihnen in der Jagdtasche verfing. Stepan Arkadjewitsch trug Bauernschuhe aus einem einzigen Stück gebogenen Leders, ferner Fußlappen, fadenscheinige Hosen und einen kurzen Mantel. Auf dem Kopfe hatte er eine Ruine von einem Hute; aber seine Flinte, ein neues System, sah wie ein niedliches Spielzeug aus, und die Jagdtasche und die Patronentasche, obwohl schon etwas abgenutzt, waren von allerbester Art.
     
    Wasenka Weslowski hatte bisher von diesem echten Jägerstolz nichts gewußt: in Lumpen gekleidet zu sein, aber Jagdgeräte von bester Beschaffenheit zu führen. Aber jetzt ging ihm das Verständnis dafür auf, als er sah, wie aus dieser schäbigen Kleidung die elegante, wohlgenährte, heitere Herrengestalt Stepan Arkadjewitschs herausstrahlte, und er nahm sich vor, sich zur nächsten Jagd unfehlbar ebenso auszurüsten.
     
    »Nun, und wie ist's mit unserm Wirte?« fragte er.
     
    »Der hat eine junge Frau«, erwiderte Stepan Arkadjewitsch lächelnd.
     
    »Ja, und eine so reizende.«
     
    »Er war schon angekleidet. Gewiß ist er noch einmal zu ihr gelaufen.«
     
    Stepan Arkadjewitsch hatte richtig geraten. Ljewin war noch einmal schnell zu seiner Frau gegangen, um sie nochmals zu fragen, ob sie ihm seine gestrige Dummheit auch wirklich verziehen habe, und um sie zu bitten, doch um des Himmels willen recht vorsichtig zu sein. Namentlich sollte sie sich von den Kindern fernhalten; von denen sei immer zu befürchten, daß sie sie stießen. Auch mußte er sich noch einmal von ihr versichern lassen, daß sie ihm deswegen, weil er auf zwei Tage wegfahre, nicht böse sei, und mußte sie noch bitten, ihm unter allen Umständen morgen früh durch einen reitenden Boten ein Zettelchen zu schicken und ihm wenigstens zwei Worte zu schreiben, nur damit er wüßte, daß es ihr gut gehe.
     
    Für Kitty war es, wie immer, ein Schmerz, sich auf zwei Tage von ihrem Manne zu trennen; aber als sie seine von frischer Lebenslust erfüllte Gestalt erblickte, die in den Jagdstiefeln und der weißen Hemdbluse besonders groß und stark erschien, und auf seinem Gesicht ein gewisses leuchtendes Glänzen jägerhafter Aufregung wahrnahm, für das sie kein rechtes Verständnis hatte, da vergaß sie um seiner Freude willen ihre eigene Betrübnis und nahm heiter von ihm Abschied.
     
    »Verzeihung, meine Herren!« sagte er, als er eilig vor die Tür trat. »Ist auch das Frühstück eingepackt? Warum ist der Fuchs rechts eingespannt? Na, es kommt nicht drauf an. Laska, laß sein, kusch dich!«
     
    »Nimm sie zu den Zeitschafen in die Herde«, wandte er sich an den Viehwärter, der vor der Tür mit einer Frage wegen der Hammel auf ihn gewartet hatte. »Verzeihung, da kommt noch so ein Bösewicht.«
     
    Ljewin sprang von dem Jagdwagen, auf dem er sich gerade zurechtsetzen wollte, wieder herunter zu einem Zimmermann, der, ein Klaftermaß in der Hand, sich dem Hause näherte.
     
    »Na ja, ins Kontor ist er gestern nicht gekommen, und jetzt hält er mich auf. Nun, was willst du?«
     
    »Gestatten Sie, daß ich noch eine Windung anbringe. Wir brauchen nur drei Stufen hinzuzufügen. Dann treffen wir es ganz genau. Es wird so viel bequemer sein.«
     
    »Du hättest auf mich hören sollen«, erwiderte Ljewin ärgerlich. »Ich habe dir gesagt: ›Stelle zuerst die Treppenwangen auf und dann schneide die Stufen ein.‹ Jetzt ist das nicht mehr in Ordnung zu bringen. Tu, was ich angeordnet habe, und mache eine neue Treppe.«
     
    Die Sache war die, daß bei dem im Bau befindlichen Nebengebäude der Zimmermann die Treppe verpfuscht hatte, weil er sie nicht an Ort und Stelle angefertigt und die Steigung nicht richtig berechnet hatte, so daß nun, als die Treppe an ihrem Platz aufgestellt wurde, alle Stufen abschüssig waren. Jetzt wollte

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