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Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Titel: Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Tolstoi
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diesem Jahre schon gejagt?« sagte Ljewin zu Weslowski, während er dessen Bein aufmerksam betrachtete; er sprach mit jener gemachten Freundlichkeit, die Kitty so genau an ihm kannte und die ihm so schlecht stand. »Ob wir Schnepfen finden werden, weiß ich nicht; aber Bekassinen sind viele da. Nur müssen wir recht früh fahren. Werden Sie auch nicht müde sein? Bist du sehr müde geworden, Stiwa?«
     
    »Ich müde? Ich bin noch niemals müde geworden. Meinetwegen können wir die ganze Nacht aufbleiben! Wollen noch ein bißchen spazierengehen!«
     
    »Im Ernst, bleiben wir die Nacht über auf! Famos!« stimmte ihm Weslowski bei.
     
    »Oh, davon sind wir überzeugt, daß du eine Nacht durchmachen kannst und auch andere Leute dazu verleitest«, sagte Dolly zu ihrem Mann in jenem Tone leisen Spottes, in dem sie jetzt fast immer mit ihm verkehrte. »Aber meiner Ansicht nach ist es jetzt schon Zeit, schlafen zu gehen ... Ich gehe; Abendbrot möchte ich heute nicht essen.«
     
    »Aber nein, bleib doch noch ein Weilchen sitzen, liebste Dolly«, bat Stepan Arkadjewitsch und ging um den großen Tisch, an dem gegessen wurde, herum zu ihr. »Ich möchte dir noch so vieles erzählen.«
     
    »Es wird wohl nichts Besonderes sein.«
     
    »Weißt du denn, daß Weslowski bei Anna gewesen ist? Und er wird bald wieder zu ihnen hinfahren. Sie wohnen ja nur siebzig Werst von euch entfernt. Und ich will unter allen Umständen auch einmal hin. Weslowski, komm doch mal her!«
     
    Wasenka kam zu den Damen heran und setzte sich neben Kitty.
     
    »Ach, bitte, erzählen Sie doch; Sie sind bei ihr gewesen? Wie geht es ihr?« wandte sich Darja Alexandrowna zu ihm.
     
    Ljewin blieb am andern Ende des Tisches und sah, während er sein Gespräch mit der Fürstin und Warjenka ohne Unterbrechung fortsetzte, daß zwischen Stepan Arkadjewitsch, Dolly, Kitty und Weslowski sich ein lebhaftes, geheimnisvolles Gespräch entwickelte. Und nicht genug damit, daß dort ein solches geheimnisvolles Gespräch geführt wurde, er sah auch auf dem Gesicht seiner Frau den Ausdruck einer unverstellten Empfindung, als sie mit unverwandten Augen in das hübsche Gesicht dieses Wasenka blickte, der sehr lebhaft irgend etwas erzählte.
     
    »Es geht sehr nett bei ihnen zu«, berichtete Wasenka über Wronski und Anna. »Ich maße mir selbstverständlich kein Urteil über die beiden an; aber man fühlt sich in ihrem Hause wie in einer Familie.«
     
    »Was beabsichtigen sie denn demnächst zu tun?«
     
    »Es scheint, daß sie für den Winter nach Moskau ziehen wollen.«
     
    »Wie hübsch wäre es, wenn wir alle zusammen zu ihnen führen! Wann willst du denn fahren?« fragte Stepan Arkadjewitsch seinen jungen Freund.
     
    »Ich will den Juli bei ihnen verleben.«
     
    »Nun, und du? Fährst du auch mit?« wandte sich Stepan Arkadjewitsch an seine Frau.
     
    »Ich habe es schon lange tun wollen und werde jedenfalls einmal hinfahren«, antwortete Dolly. »Sie tut mir gar zu leid, und ich kenne sie genau. Sie ist eine ganz prächtige Frau. Ich will allein hinfahren, wenn du wieder weg bist; dann braucht sich niemand um meinetwillen beschämt zu fühlen. Es ist sogar besser, wenn ich ohne dich dort bin.«
     
    »Schön, schön«, versetzte Stepan Arkadjewitsch. »Und du, Kitty?«
     
    »Ich? Weshalb sollte ich hinfahren?« erwiderte Kitty, wurde blutrot und sah sich nach ihrem Mann um.
     
    »Sind Sie auch mit Anna Arkadjewna bekannt?« fragte Weslowski sie. »Sie ist eine höchst anziehende Frau.«
     
    »Ja«, antwortete sie, noch tiefer errötend, stand auf und ging zu ihrem Manne.
     
    »Also du fährst morgen auf die Jagd?« fragte sie ihn.
     
    Seine Eifersucht hatte in diesen wenigen Minuten, namentlich wegen der Röte, die ihre Wangen während ihres Gespräches mit Weslowski überzogen hatte, schon einen hohen Grad erreicht. Als er jetzt ihre Frage hörte, faßte er sie schon auf seine besondere Weise auf. Wie wunderlich es ihm auch später bei der Erinnerung vorkam, aber in diesem Augenblick schien es ihm ganz klar, wenn sie ihn frage, ob er auf die Jagd fahren werde, so beschäftige sie das nur deshalb, weil sie gern wissen möchte, ob er dem netten Wasenka Weslowski, in den sie sich seiner Meinung nach bereits verliebt hatte, dieses Vergnügen bereiten werde.
     
    »Ja, ich fahre auf die Jagd«, antwortete er in einem gezwungenen Ton, der ihm selbst widerwärtig klang.
     
    »Bleibt doch lieber morgen noch hier; sonst hat ja Dolly ihren Mann vorher gar

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