Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)
König!
4 (frz.) Das hat keine Folgen.
5 (frz.) Meine Herren, kommen Sie schnell!
12
L jewin erwachte, als es kaum dämmerte, und versuchte, seine Gefährten aufzuwecken. Wasenka lag auf dem Bauche, das eine noch mit dem Strumpfe bekleidete Bein lang ausgestreckt, und schlief so fest, daß von ihm keine Antwort zu erlangen war. Oblonski weigerte sich schlaftrunken, so früh aufzubrechen. Selbst Laska, die ringförmig zusammengerollt am Rande des hingeschütteten Heues geschlafen hatte, stand nur ungern auf und reckte und dehnte träge ihre Hinterbeine eines nach dem andern. Nachdem Ljewin Strümpfe und Stiefel angezogen, seine Flinte genommen und behutsam das knarrende Scheunentor geöffnet hatte, trat er auf die Straße hinaus. Die Kutscher schliefen bei den Wagen, die Pferde standen im Halbschlummer da. Nur eines von ihnen fraß träge seinen Hafer, den es mit der Schnauze in der Stehkrippe hin und her warf. Es sah draußen noch alles grau aus.
»Warum bist du denn schon so früh aufgestanden, lieber Herr?« fragte ihn freundlich wie einen guten alten Bekannten die nicht mehr jugendliche Hausfrau, die soeben aus dem Hause heraustrat.
»Ich will auf die Jagd, Tantchen. Komme ich hier nach dem Sumpfe?«
»Gerade durch den Hinterhof, an unseren Tennen vorbei, lieber Herr, und durch die Hanffelder; es ist ein Fußweg da.«
Vorsichtig mit den nackten, von der Sonne gebräunten Füßen auftretend, führte die Bauersfrau Ljewin und öffnete ihm die Umzäunung bei der Tenne.
»Immer geradeaus, dann kommst du nach dem Sumpfe. Unsere Leute haben gestern abend die Pferde dahin getrieben.«
Laska lief vergnügt auf dem Fußpfade voran; Ljewin folgte ihr raschen, leichten Schrittes und blickte fortwährend nach dem Himmel. Es wäre ihm lieb gewesen, wenn die Sonne nicht früher aufgegangen wäre, als bis er den Sumpf erreicht hätte. Aber die Sonne sputete sich. Der Mond, der noch hell geleuchtet hatte, als Ljewin sein Nachtlager verließ, schimmerte jetzt nur wie eine Quecksilbermasse; die Morgenröte, die vorher unwillkürlich die Blicke auf sich gezogen hatte, mußte man jetzt ordentlich suchen; einige vorher undeutliche Flecke auf dem fernen Felde waren jetzt klar sichtbar. Es waren Roggenschober. Der ohne das Sonnenlicht noch unsichtbare Tau in dem duftenden, hohen Hanffelde, aus dem die männlichen Hanfpflanzen bereits ausgezogen waren, benetzte Ljewins Beine und die Hemdbluse bis über den Gürtel hinauf. In der klaren, stillen Morgenluft war das leiseste Geräusch vernehmbar. Eine Biene flog mit dem pfeifenden Tone einer Flintenkugel an Ljewins Ohr vorbei. Er blickte aufmerksam hin und sah noch eine zweite und eine dritte. Sie kamen alle hinter dem geflochtenen Zaune eines Bienengartens hervorgeflogen und verschwanden über dem Hanffelde in der Richtung nach dem Sumpfe. Der Fußweg führte gerade darauf zu. Die Lage des Sumpfes konnte man an den Dünsten erkennen, die sich an manchen Stellen dichter, an anderen spärlicher aus ihm erhoben, so daß die Riedgrasdickichte und die Weidenbüsche wie kleine Inseln über diesem Dunste hin und her schwankten. Am Rande des Sumpfes und des Weges lagen Bauern und Bauernjungen, die dort Nachtwache gehalten hatten, und schliefen jetzt gegen Morgen alle, mit ihren Röcken zugedeckt. Nicht weit von ihnen gingen drei gefesselte Pferde umher; das eine klirrte mit seinen Fußfesseln. Laska ging neben ihrem Herrn, strebte aber immer voran und sah sich häufig nach ihm um. Als Ljewin an den schlafenden Bauern vorbeigekommen war und die erste sumpfige Stelle erreicht hatte, untersuchte er die Zündstifte und ließ den Hund los. Eines der Pferde, ein wohlgenährter, dreijähriger Brauner, nahm beim Anblick des Hundes Reißaus, hob den Schwanz in die Höhe und schnaubte. Auch die andern Pferde erschraken, schlurften mit den gefesselten Beinen durch das Wasser, wobei sie einen dem Händeklatschen ähnlichen Laut hervorbrachten, wenn sie die Hufe aus dem dicken Schlamm herauszogen, und stiegen aus dem Sumpfe heraus. Laska blieb stehen und warf den Pferden einen spöttischen, ihrem Herrn einen fragenden Blick zu. Ljewin streichelte das Tier und pfiff ein paar Töne, zum Zeichen, daß die Sache nun anfangen könne.
Fröhlich, aber auch mit vorsichtiger Besorgnis, lief Laska über die Moordecke hin, die sich unter ihr bog.
Als Laska in den Sumpf hineingelaufen war, nahm sie sofort unter den ihr wohlbekannten Gerüchen des Wurzelwerks, der
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