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Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Titel: Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Tolstoi
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verlaufene Jagd und der Brief von seiner Frau, waren so groß, daß Ljewin über zwei kleine Unannehmlichkeiten, die sich nach der Jagd einstellten, leicht hinwegkam. Die eine bestand darin, daß das eine Seitenpferd, der Fuchs, offenbar tags zuvor überanstrengt war, nicht fraß und den Kopf hängen ließ. Der Kutscher meinte, das Tier sei zu stark angestrengt worden.
     
    »Er ist gestern zu sehr angetrieben worden, Konstantin Dmitrijewitsch«, sagte er. »Na natürlich, zehn Werst weit ist er auf schlechtem Wege scharf gelaufen!«
     
    Die zweite Unannehmlichkeit, die im ersten Augenblick ihm die fröhliche Stimmung verdarb, über die er aber nachher sehr lachte, war die: von all dem Mundvorrat, den ihnen Kitty in so reichlicher Menge mitgegeben hatte, daß man hätte meinen sollen, sie könnten ihn in einer Woche nicht verzehren, war für ihn nichts übriggeblieben. Während Ljewin müde und hungrig von der Jagd zurückwanderte, hatte er sich die Pasteten mit solcher Deutlichkeit vergegenwärtigt, daß er bei der Annäherung an das Haus ihren Geruch und Geschmack in Nase und Mund verspürte, gerade wie Laska das Wild witterte, und sofort Filipp befahl, ihm welche zu bringen. Es stellte sich heraus, daß nicht nur von den Pasteten, sondern auch von den jungen Hühnern nichts mehr vorhanden war.
     
    »Der hat aber auch einen gesegneten Appetit!« sagte Stepan Arkadjewitsch lachend und wies dabei auf Wasenka Weslowski. »Ich leide ja auch nicht an Appetitmangel; aber das war etwas Erstaunliches ...«
     
    »Na, was ist zu machen!« versetzte Ljewin, indem er Weslowski einen finsteren Blick zuwarf. »Filipp, dann gib mir Braten.«
     
    »Der Braten ist aufgegessen, und den Knochen haben die Hunde bekommen«, antwortete Filipp.
     
    Ljewin war über diese Benachteiligung so erbittert, daß er in ärgerlichem Tone sagte: »Wenigstens etwas hätten Sie mir doch übrig lassen können, meine Herren!« Er war nahe daran, loszuweinen.
     
    »Weide doch die Vögel aus«, sagte er mit zitternder Stimme zu Filipp, wobei er sich bemühte, Wasenka nicht anzusehen, »und stopfe Nesseln hinein. Und für mich bitte die Wirtsleute wenigstens um Milch.«
     
    Erst dann, als er sich an Milch satt getrunken hatte, schämte er sich, einem Fremden gegenüber gezeigt zu haben, daß er sich ärgerte, und er lachte und scherzte nun selbst über seinen hungrigen Ingrimm.
     
    Am Abend gingen sie noch einmal auf die Suche, wobei Wasenka ein paar Stück erlegte, und fuhren in der Nacht nach Hause zurück.
     
    Die Rückfahrt gestaltete sich ebenso vergnügt, wie es die Hinfahrt gewesen war. Bald sang Weslowski, bald redete er mit Entzücken von seinen Erlebnissen bei den Bauern, die ihn mit Schnaps bewirtet und gesagt hatten: »Nimm fürlieb!« bald erzählte er von seinen nächtlichen Abenteuern mit den frischen Nüßchen und der Gutsmagd und dem Bauern, der ihn gefragt hatte, ob er verheiratet wäre, und auf die Mitteilung, daß er unverheiratet sei, zu ihm gesagt hatte: »Sei nicht lüstern nach fremden Weibern, sondern sorge vor allen Dingen dafür, daß du eine eigene Frau bekommst.« Diese Worte gaben ihm ganz besonders Anlaß zum Lachen.
     
    »Überhaupt bin ich von unserem Ausflug außerordentlich befriedigt. Wie ist's mit Ihnen, Ljewin?«
     
    »Ich bin gleichfalls sehr befriedigt«, antwortete Ljewin durchaus aufrichtig. Er freute sich ganz besonders darüber, daß nicht nur jene Feindseligkeit geschwunden war, die er zu Hause gegen Wasenka Weslowski empfunden hatte, sondern er jetzt sogar eine sehr freundschaftliche Zuneigung für ihn hegte.
     

14
     
    A m andern Tage um zehn Uhr klopfte Ljewin, der schon einen Rundgang durch seine Wirtschaft gemacht hatte, an dem Zimmer an, in dem Wasenka wohnte.
     
    »Entrez!« 1 rief dieser. »Entschuldigen Sie, ich habe mich soeben erst gewaschen«, sagte er lächelnd, weil er im bloßen Unterzeug vor Ljewin stand.
     
    »Bitte, lassen Sie sich nicht stören.« Ljewin setzte sich ans Fenster. »Haben Sie gut geschlafen?«
     
    »Wie ein Toter. Aber welch prächtiger Tag wäre das heute zur Jagd!«
     
    »Was trinken Sie: Tee oder Kaffee?«
     
    »Keins von beiden. Ich frühstücke lieber gleich etwas Festes; ich muß mich wahrhaftig schämen. Die Damen sind wohl schon aufgestanden? Es wäre sehr nett, jetzt ein bißchen umherzugehen. Zeigen Sie mir doch Ihre Pferde.«
     
    Nachdem sie einen kleinen Spaziergang durch den Garten gemacht, den Pferdestall besucht und sogar ein bißchen am

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