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Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Titel: Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Tolstoi
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Barren geturnt hatten, kehrte Ljewin mit seinem Gast in das Haus zurück und ging mit ihm ins Wohnzimmer.
     
    »Wir haben eine wundervolle Jagd gehabt und soviel Neues kennengelernt!« sagte Weslowski, zu Kitty herantretend, die neben der Teemaschine saß. »Wie schade, daß den Damen diese Genüsse versagt bleiben.«
     
    ›Na, was ist dabei? Er muß doch mit der Hausfrau ein paar Worte sprechen‹, sagte Ljewin zu sich selbst. Er fühlte sich wieder unangenehm berührt durch Weslowskis Lächeln und durch die Siegermiene, mit der er sich zu Kitty gewandt hatte ...
     
    Die Fürstin, die mit Jelisaweta Petrowna und Stepan Arkadjewitsch an der andern Seite des Tisches saß, rief Ljewin zu sich und begann mit ihm ein Gespräch darüber, daß Kittys bevorstehende Entbindung eine Übersiedelung nach Moskau notwendig mache und dort eine Wohnung instand gesetzt werden müsse. Wie schon bei der Hochzeit Ljewin von den vielerlei Zurüstungen wenig erbaut gewesen war, weil sie durch ihre Nichtigkeit nach seinem Gefühl nur die hehre Erhabenheit des eigentlichen Begebnisses beeinträchtigten, so erschienen ihm auch, und sogar in noch höherem Grade, die Vorbereitungen zu der bevorstehenden Entbindung widerwärtig, für deren Eintreten die Tage ordentlich an den Fingern abgezählt wurden. Er gab sich stets Mühe, auf diese Gespräche über die Methode, nach der das zu erwartende Kindchen gewickelt werden sollte, nicht hinzuhören; er vermied nach Möglichkeit, indem er sich abwendete, den Anblick gewisser geheimnisvoller, endloser gestrickter Bänder und gewisser dreieckiger Leinwandstücke, denen Dolly eine besondere Wichtigkeit beilegte, und so weiter. Die Geburt eines Kindes (er war überzeugt, daß es ein Sohn sein werde), die ihm in Aussicht gestellt wurde, an die er aber trotzdem nicht glauben konnte, weil es ihm gar zu seltsam vorkam, stellte sich ihm einerseits als ein so gewaltiges und daher unglaubliches Glück und anderseits als ein so geheimnisvoller Vorgang dar, daß diese angebliche Kenntnis dessen, was da kommen werde, und im Zusammenhang damit die Vorbereitung wie auf etwas Gewöhnliches, auf irgendwelches Menschenwerk, ihm empörend und unwürdig erschienen.
     
    Aber die Fürstin hatte kein Verständnis für seine Empfindungen und erklärte sich seine Unlust, über diesen Gegenstand nachzudenken und zu reden, aus seiner Leichtfertigkeit und Gleichgültigkeit und gönnte ihm deshalb keine Ruhe. Sie hatte Stepan Arkadjewitsch damit beauftragt, sich nach einer Wohnung umzusehen, und rief jetzt Ljewin zu sich heran.
     
    »Ich verstehe davon nichts, Fürstin. Verfahren Sie, wie Sie es für gut halten«, sagte er.
     
    »Ihr müßt euch doch schlüssig werden, wann ihr umziehen wollt.«
     
    »Ich verstehe wirklich nichts davon. Ich weiß nur, daß Millionen von Kindern außerhalb Moskaus und ohne Arzt geboren werden ... Und warum auch nicht?«
     
    »Ja, wenn du so denkst ...«
     
    »Aber nein doch. Ganz wie Kitty will.«
     
    »Mit Kitty kann man darüber nicht reden! Oder willst du etwa, daß ich ihr dadurch einen Schreck einjagen soll? Siehst du wohl, in diesem Frühjahr ist Natalja Golizüna gestorben, weil sie einen schlechten Geburtshelfer dabei hatten.«
     
    »Wie Sie es anordnen, werde ich es ausführen«, antwortete er mit finsterer Miene.
     
    Die Fürstin begann, ihm die Sache ausführlich auseinanderzusetzen; aber er hörte ihr nicht zu. Obgleich ihn das Gespräch verstimmte, so rührte doch seine finstere Miene nicht daher, sondern von dem, was er bei dem Samowar sah.
     
    ›Nein, es ist unmöglich‹, dachte er, indem er ab und zu nach Wasenka hinblickte, der sich zu Kitty beugte und mit seinem hübschen Lächeln etwas zu ihr sagte, und auch nach Kitty, die errötet war und erregt aussah.
     
    Es lag etwas Unreines in Wasenkas Körperhaltung, in seinem Blick und in seinem Lächeln. Ljewin fand sogar auch in Kittys Haltung und Blick etwas Unreines. Und wieder wurde die ganze Welt vor seinen Augen dunkel; wieder fühlte er sich wie neulich ohne den geringsten Übergang von der Höhe des Glücks, der Ruhe und Würde in den Abgrund der Verzweiflung, des Grimms und der Entehrung hinabgeschleudert; wieder wurden ihm alle Menschen und alles in der Welt widerwärtig.
     
    »Machen Sie es nur so, wie Sie es für gut halten, Fürstin«, sagte er und sah sich wieder um.
     
    »Ja, ja, man hat es schwer als Ehemann!« bemerkte, zu ihm gewendet, scherzend Stepan Arkadjewitsch; er spielte dabei offenbar nicht

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