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Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Titel: Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Tolstoi
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Vorzimmer zeigte.
     
    »Ja, wir müssen abfahren. Ich bin spazierengefahren, und es war so schön, daß ich eine wahre Sehnsucht nach dem Leben auf dem Lande bekam. Dich hält doch wohl hier nichts zurück?«
     
    »Es ist mein sehnlichster Wunsch. Ich komme gleich; dann wollen wir näher darüber sprechen; ich will mich nur erst umkleiden. Laß nur immer den Tee bringen.«
     
    Damit ging er nach seinem Zimmer.
     
    Sie hatte sich durch seine Worte: »Das ist recht!« verletzt gefühlt: so rede man zu einem Kinde, wenn es aufgehört habe, eigensinnig zu sein. Und als eine noch größere Kränkung hatte sie den Gegensatz zwischen ihrem demütigen und seinem selbstbewußten Tone empfunden. So hatte sie denn einen Augenblick die Lust zu einem neuen Kampfe in ihrer Seele aufsteigen gefühlt. Aber sie hatte sich Gewalt angetan, dieses Verlangen unterdrückt und ihr freundliches, heiteres Benehmen gegen Wronski unverändert beibehalten.
     
    Als er zu ihr ins Eßzimmer gekommen war, erzählte sie ihm teilweise mit den Worten, die sie sich vorher zurechtgelegt, wie sie den Tag verlebt hatte und von ihren Plänen über die Abreise.
     
    »Weißt du, es kam ordentlich wie eine Eingebung über mich«, sagte sie. »Wozu soll ich hier auf die Scheidung warten? Ob wir hier oder auf dem Lande sind, das macht ja dabei gar keinen Unterschied. Aber dieser Zustand des Wartens ist mir überhaupt unerträglich; ich will auf nichts mehr hoffen, will von der Scheidung gar nichts mehr hören. Ich habe mir gesagt, daß dies auf mein weiteres Leben keinen Einfluß haben darf. Bist du nicht auch der Meinung?«
     
    »O gewiß«, antwortete er und blickte beunruhigt in ihr aufgeregtes Gesicht.
     
    »Was habt ihr denn da gemacht? Wer war denn da?« fragte sie nach einer kleinen Pause.
     
    Wronski nannte die Teilnehmer an dem Diner. »Es war ausgezeichnet, auch die Ruderregatta und alles übrige war ganz nett; aber in Moskau geht es nun einmal ohne etwas Lächerliches nicht ab. Es trat da so eine Dame auf, die Schwimmlehrerin der Königin von Schweden, und zeigte ihre Künste.«
     
    »Wie? Ist sie geschwommen?« fragte Anna mit finsterer Miene.
     
    »Ja, in einem eigenartigen Badeanzug; es ist ein altes, häßliches Frauenzimmer. Also wann wollen wir denn nun abfahren?«
     
    »Welch alberner Einfall von dieser Person! Ist denn an ihrem Schwimmen et was Besonderes?« fragte Anna, ohne auf Wronskis Frage zu antworten.
     
    »Durchaus nichts Besonderes. Ich sage ja auch, die Sache war furchtbar albern. Also wann beabsichtigst du denn zu reisen?«
     
    Anna schüttelte mit dem Kopfe, wie wenn sie einen unangenehmen Gedanken verscheuchen wollte.
     
    »Wann wir reisen wollen? Je früher, desto besser. Zu morgen werden wir nicht fertig. Also übermorgen.«
     
    »Schön ... aber nein, warte einmal. Übermorgen ist Sonntag; da muß ich bei maman sein«, erwiderte Wronski; aber hier wurde er verlegen, denn sobald er seine Mutter erwähnt hatte, merkte er, daß Anna ihn mit argwöhnischem Blick unverwandt ansah. In seiner Verlegenheit fand sie eine Bestätigung ihres Verdachtes. Sie wurde dunkelrot und rückte von ihm ab. Jetzt stand ihr nicht mehr die Schwimmlehrerin der Königin von Schweden vor Augen, sondern die Prinzessin Sorokina, die mit der Gräfin Wronskaja zusammen nicht weit von Moskau auf deren Landgut wohnte.
     
    »Du kannst ja morgen hinfahren!« sagte sie.
     
    »Nein, doch nicht. In der Angelegenheit, in der ich hinfahren muß, werden die Kreditbriefe und das Geld morgen noch nicht zu bekommen sein«, versetzte er.
     
    »Dann wollen wir lieber gar nicht reisen.«
     
    »Aber warum denn nicht?«
     
    »Später reise ich nicht. Entweder Sonntag oder nie.«
     
    »Aber warum denn das?« fragte Wronski erstaunt. »Das hat ja doch keinen Sinn!«
     
    »Für dich hat das keinen Sinn, weil ich dir ganz gleichgültig bin. Du willst mein Leben nicht verstehen. Das einzige, was mich hier beschäftigt, ist Hanna. Du sagst, das ist Heuchelei. Du hast mir ja gestern gesagt, ich liebte meine Tochter nicht und stellte mich, als liebte ich diese Engländerin, und das sei etwas Gekünsteltes. Ich möchte wohl wissen, wie ich es anfangen soll, hier ein unbefangenes, natürliches Leben zu führen.«
     
    Einen Augenblick kam sie zur Besinnung und erschrak darüber, daß sie ihrem Vorsatz untreu geworden war. Aber obgleich sie wußte, daß sie sich dadurch selbst zugrunde richtete, war sie nicht imstande, sich zu beherrschen; sie mußte ihm zeigen,

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