Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)
nicht aus Moskau selbst abgegangen sind, dann kommen schon mehr als tausend heraus«, erwiderte Sergei Iwanowitsch.
»Sehen Sie wohl! Das habe ich ja gesagt!« fiel die Dame erfreut ein. »Und es ist doch auch richtig, daß jetzt etwa eine Million Rubel gespendet ist?«
»Mehr, Fürstin, mehr!«
»Nun, und was sagen Sie zu der heutigen Nachricht? Die Türken sind wieder geschlagen worden.«
»Ja, ich habe es gelesen«, erwiderte Sergei Iwanowitsch. Dies bezog sich auf die letzte Meldung, die bestätigte, daß die Türken drei Tage hintereinander an allen Punkten geschlagen und geflohen seien und daß für morgen die Entscheidungsschlacht erwartet werde.
»Ach ja, wissen Sie, da hat sich ein netter junger Mann gemeldet. Ich weiß nicht, warum ihm Schwierigkeiten gemacht werden. Ich wollte Sie bitten (denn ich kenne ihn), schreiben Sie ein paar Zeilen zur Empfehlung für ihn. Er ist von der Gräfin Lydia Iwanowna geschickt.«
Sergei Iwanowitsch fragte die Fürstin eingehend nach allem, was sie über den jungen Mann, der sich gemeldet hatte, wußte, begab sich dann in den Wartesaal erster Klasse, verfaßte ein kurzes Empfehlungsschreiben an die entscheidende Persönlichkeit und ging wieder hinaus, um es der Fürstin zu übergeben.
»Wissen Sie, Graf Wronski, der bekannte Wronski, fährt auch mit diesem Zuge«, sagte die Fürstin mit einem triumphierenden, vielsagenden Lächeln, als er sie wiedergefunden und ihr den Brief eingehändigt hatte.
»Ich habe gehört, daß er auch nach dem Kriegsschauplatze abgehen werde; aber ich wußte nicht, wann. Also mit diesem Zuge?«
»Ja, ich habe ihn gesehen. Er ist hier. Nur seine Mutter gibt ihm das Geleite und fährt eine Strecke mit ihm. Das ist jedenfalls das beste, was er tun konnte.«
»Ja, gewiß, selbstverständlich.«
Während sie sprachen, drängte die Menge an ihnen vorüber dem Tische zu, wo zu Mittag gegessen wurde. Sie schlossen sich dieser Bewegung an und hörten bald die laute Stimme eines Herrn, der, ein Glas Wein in der Hand, eine Ansprache an die Freiwilligen richtete. »Ihr sollt kämpfen für den Glauben, für die Menschlichkeit, für unsere Brüder«, sagte der Herr, indem er seine Stimme immer mehr erhob. »Zu eurem Kampfe für die große Sache gibt euch unser Mütterchen Moskau ihren Segen. Zivio!« schloß er laut und vor Rührung beinah weinend.
Alle riefen Zivio. Ein neuer Menschenstrom drängte in den Saal hinein und hätte die Fürstin beinah umgestoßen.
»Nun, Fürstin, was sagen Sie dazu?« sagte Stepan Arkadjewitsch, der auf einmal mitten in der Menge auftauchte, mit freudestrahlendem Lächeln. »Nicht wahr? Das war wundervoll gesprochen, und mit welcher Wärme! Bravo! Sie auch da, Sergei Iwanowitsch! Wissen Sie, Sie sollten auch etwas sagen, nur so ein paar Worte, wissen Sie, zur Ermunterung; Sie verstehen das so wunderschön«, fügte er mit einem zärtlichen, achtungsvollen, feinen Lächeln hinzu und schob Sergei Iwanowitsch leise am Arm.
»Nein, ich fahre gleich ab.«
»Wohin denn?«
»Aufs Land zu meinem Bruder«, antwortete Sergei Iwanowitsch.
»Da werden Sie auch meine Frau treffen. Ich habe an sie geschrieben; aber Sie werden sie vorher zu sehen bekommen; bitte, sagen Sie ihr doch, daß Sie mich gesehen haben, und ich hätte gesagt: all right. Das wird sie schon verstehen. Und dann seien Sie doch so gut und sagen Sie ihr, ich hätte jetzt meine Ernennung zum Komiteemitglied der Vereinigten ... na, sie wird es schon verstehen! Wissen Sie, das sind so les petites misères de la vie humaine 1 «, fügte er, zur Fürstin gewendet, gleichsam sich entschuldigend, hinzu. »Und die Mjachkaja, nicht Lisa, sondern Bibiche, schickt auch tausend Gewehre und zwölf Barmherzige Schwestern hin. Habe ich Ihnen das schon er zählt?«
»Ja, ich habe es schon gehört«, erwiderte Kosnüschew in etwas gezwungenem Tone.
»Jammerschade, daß Sie wegfahren«, sagte Stepan Arkadjewitsch. »Morgen veranstalten wir ein Abschiedsessen für zwei ins Feld ziehende Freiwillige: für Diemer-Bartnjanski aus Petersburg und unsern Wasenka Weslowski. Die fahren beide hin. Weslowski hat sich vor kurzem verheiratet. Er ist ein tüchtiger Kerl! Nicht wahr, Fürstin?« wandte er sich an die Dame.
Die Fürstin blickte, ohne ihm zu antworten, Kosnüschew an. Aber daß Sergei Iwanowitsch und die Fürstin ihn, wie es schien, loszuwerden wünschten, dadurch ließ sich Stepan Arkadjewitsch
Weitere Kostenlose Bücher