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Anna Karenina

Anna Karenina

Titel: Anna Karenina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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andere Weise
    ein Ende gemacht werden müsse. Aber außerdem war ihre Erregung in physischer Hinsicht auch auf ihn übergegangen. Er
    sah sie mit einem Blicke voll Rührung und Ergebenheit an, küßte ihr die Hand, stand auf und ging schweigend auf der
    Terrasse auf und ab.
    »Ja«, sagte er dann, indem er entschlossen zu ihr trat. »Weder Sie noch ich haben unser Verhältnis als eine
    Spielerei betrachtet, und jetzt ist unser Schicksal entschieden. Diesem Lügenspiel, in dem wir leben, müssen wir
    unbedingt ein Ende machen«, äußerte er, sich nach allen Seiten umschauend.
    »Ein Ende machen? Wie sollen wir ein Ende machen, Alexei?« fragte sie leise. Sie hatte sich jetzt beruhigt, und
    auf ihrem Gesichte strahlte ein zärtliches Lächeln.
    »Du mußt deinen Mann verlassen und dein Leben mit dem meinen vereinigen.«
    »Es ist auch so schon vereinigt«, antwortete sie kaum hörbar.
    »Ja, aber völlig, völlig.«
    »Aber wie soll ich das machen, Alexei? Belehre mich, wie ich das machen soll«, sagte sie mit trübem Spott über
    die Trostlosigkeit ihrer Lage. »Gibt es denn einen Ausweg aus einer solchen Lage? Bin ich denn nicht die Frau
    meines Mannes?«
    »Aus jeder Lage gibt es einen Ausweg«, erwiderte er. »Man muß sich nur zu einem Entschlusse aufraffen. Alles ist
    besser als die Lage, in der du jetzt lebst. Ich sehe ja, wie du dich um alles quälst, um die Meinung der Welt und
    um deinen Sohn und um deinen Mann.«
    »Ach, um meinen Mann nicht«, sagte sie mit einem ungezwungenen Lächeln. »Ich weiß nicht, wie es kommt; aber ich
    denke gar nicht an ihn. Er ist für mich nicht vorhanden.«
    »Du sprichst nicht aufrichtig. Ich kenne dich. Du quälst dich auch um ihn.«
    »Aber er weiß ja von nichts«, erwiderte sie, und plötzlich stieg ihr eine tiefe Röte ins Gesicht; Wangen, Stirn
    und Hals wurden dunkelrot, und Tränen der Scham traten ihr in die Augen. »Wir wollen gar nicht von ihm
    sprechen.«

23
    Wronski hatte schon mehrmals, wenn auch nicht mit solcher Entschiedenheit wie jetzt, den Versuch gemacht, sie zu
    einer ernstlichen Prüfung ihrer Lage zu veranlassen, und war jedesmal bei ihr auf die gleiche Oberflächlichkeit und
    Leichtfertigkeit der Beurteilung gestoßen, die sie auch jetzt seiner Aufforderung gegenüber bekundet hatte. Es war,
    als ob in ihrer Lebenslage etwas enthalten sei, was sie sich nicht klarmachen könne oder nicht klarmachen wolle; es
    war, als ob sie, die wahre Anna, sich in sich selbst zurückzöge und dafür eine andere hervorträte, ein seltsames,
    ihm fremdes Weib, das er nicht liebte, sondern fürchtete, und das sich ihm widersetzte. Aber heute war er
    entschlossen, alles freiheraus zu sagen.
    »Ob er es weiß oder nicht«, sprach Wronski in seinem gewöhnlichen festen, ruhigen Tone, »ob er es weiß oder
    nicht, das ist für uns nicht von Wichtigkeit. Wir können nicht ... Sie können nicht in dieser Lage bleiben,
    namentlich jetzt nicht.«
    »Was soll ich also nach Ihrer Ansicht tun?« fragte sie mit demselben leisen Anfluge von Spott.
    Sie, die eben noch so gefürchtet hatte, er könne ihre Schwangerschaft leichtnehmen, war jetzt unzufrieden damit,
    daß er aus diesem Ereignisse die Notwendigkeit folgerte, etwas zu unternehmen.
    »Ihm alles offen darlegen und ihn verlassen.«
    »Sehr wohl. Nehmen wir an, daß ich das tue«, antwortete sie. »Wissen Sie, was er darauf antworten wird? Ich kann
    alles voraussagen«, und in ihren Augen, die noch einen Augenblick vorher einen so zärtlichen Ausdruck hatten,
    flammte ein boshafter Glanz auf. »›Ah, Sie lieben einen anderen und haben sich mit ihm in ein verbrecherisches
    Verhältnis eingelassen?‹« (Sie machte ihren Mann nach und redete genauso, wie er zu reden pflegte: sie betonte
    stark das Wort ›verbrecherisch‹.) »›Ich habe Sie im voraus auf die Folgen in religiöser Hinsicht, in rechtlicher
    Hinsicht und in bezug auf das Familienleben aufmerksam gemacht. Sie haben nicht auf mich gehört. Jetzt kann ich
    nicht dulden, daß Unehre über meinen Namen gebracht werde‹« (›und über den Namen meines Sohnes‹, hatte sie
    hinzufügen wollen; aber es widerstand ihr, ihren Sohn in diese Spötterei mit hineinzubringen), »›daß Unehre über
    meinen Namen gebracht werde‹, und noch manches in diesem Stile«, fügte sie hinzu. »In Summa wird er mir in seinem
    Amtsstil mit aller Klarheit und Bestimmtheit sagen, daß er mich nicht freigeben könne, daß er aber alle in seiner
    Macht stehenden Maßregeln treffen

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