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Anna Karenina

Anna Karenina

Titel: Anna Karenina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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Dmitrijewitsch« hatte
    für Kitty etwas Rührendes.
    »Fahren Sie mit uns Pilze suchen. Sie können uns die guten Stellen zeigen.«
    Agafja Michailowna lächelte und schüttelte den Kopf, als wenn sie sagen wollte: ›Ich möchte Ihnen gern böse
    sein, aber ich bekomme es nicht fertig.‹
    »Bitte, folgen Sie nur meinem Rat«, sagte die alte Fürstin; »legen Sie über das Eingemachte ein Blatt Papier und
    feuchten Sie es mit Rum an, dann wird es auch ohne Eis nie schimmelig werden.«

3
    Kitty freute sich besonders über die Gelegenheit, mit ihrem Manne unter vier Augen zu sein; denn es war ihr
    nicht entgangen, daß über sein Gesicht, das immer alle seine Empfindungen so lebendig widerspiegelte, ein Schatten
    des Verdrusses gelaufen war, als er vorhin auf die Terrasse gekommen war und gefragt hatte, wovon sie sprächen, und
    keine Antwort erhalten hatte.
    Sie gingen den andern, die den Wagen benutzen wollten, zu Fuß voraus, und als sie nun aus der Sehweite des
    Hauses heraus auf die glattgefahrene, staubige, mit Roggenähren und Körnern bestreute Straße gelangt waren, da
    stützte sie sich fester auf seinen Arm und schmiegte sich an ihn. Den augenblicklichen unangenehmen Eindruck hatte
    er schon wieder vergessen, und allein mit ihr, empfand er jetzt, wo der Gedanke an ihre Schwangerschaft ihn auch
    nicht einen Augenblick verließ, jenes ihm noch neue, freudige, von aller Sinnlichkeit reine Wonnegefühl über die
    Nähe des geliebten Weibes. Zu sagen hatte er ihr nichts; aber er wollte gern den Ton ihrer Stimme hören, der sich
    ebenso wie ihr Blick jetzt bei der Schwangerschaft verändert hatte. In ihrer Stimme und in ihrem Blick lag jene
    Weichheit und jener Ernst, wie sie Menschen eigen sind, deren Denken sich beständig auf ein und denselben geliebten
    Gegenstand richtet.
    »Wirst du auch nicht müde werden? Stütze dich nur recht fest auf mich«, sagte er.
    »Nein, ich freue mich so, daß ich einmal ein Weilchen mit dir allein bin, und ich muß gestehen, so angenehm mir
    auch das Zusammensein mit ihnen allen ist, so denke ich doch mit Sehnsucht an unsere Winterabende, wo wir beide
    still zusammensaßen.«
    »Damals war es schön, und jetzt ist es noch besser. Beides ist wunderschön«, sagte er und drückte ihren Arm an
    sich.
    »Weißt du, wovon wir sprachen, als du vorhin auf die Terrasse kamst?«
    »Vom Obsteinkochen?«
    »Ja, davon auch; aber dann sprachen wir von der Art, wie Heiratsanträge gemacht werden.«
    »Ah so!« erwiderte Ljewin, der mehr auf den Klang ihrer Stimme als auf den Inhalt ihrer Worte hörte und die
    ganze Zeit über auf den jetzt durch Wald führenden Weg achtete und die Stellen mied, wo sie einen unrichtigen Tritt
    hätte tun können.
    »Und dann sprachen wir auch von Sergei Iwanowitsch und Warjenka. Hast du wohl etwas gemerkt? ... Ich würde sehr
    wünschen, daß etwas daraus würde«, fuhr sie fort. »Wie denkst du darüber?« Sie blickte ihm ins Gesicht.
    »Ich weiß nicht, wie ich darüber denken soll«, antwortete Ljewin lächelnd. »Sergei ist mir in dieser Hinsicht
    nicht recht verständlich. Ich habe dir ja erzählt ...«
    »Ja, daß er sich in ein Mädchen verliebt hatte, das dann starb ...«
    »Das fiel in die Zeit, als ich noch ein Kind war; ich weiß davon nur durch Mitteilungen anderer. Aber auf sein
    Wesen in jener Zeit kann ich mich noch ganz gut besinnen; er war damals außerordentlich lieb und nett. Aber seit
    jener Zeit beobachte ich ihn in seinen Beziehungen zu den Frauen: er benimmt sich liebenswürdig, und manche
    gefallen ihm; aber man merkt, daß sie für ihn nur Menschen sind und nicht Frauen.«
    »Ja, aber jetzt mit Warjenka ... Es scheint doch, daß er da ...«
    »Es kann sein ... Aber man muß ihn näher kennen ... Er ist ein eigenartiger, wunderbarer Mensch. Er führt ein
    ausschließlich geistiges Leben. Er ist ein zu reiner, hochsinniger Mensch.«
    »Wie? Würde er sich etwa dadurch erniedrigen?«
    »Nein, das nicht; aber er hat sich dermaßen an ein ausschließlich geistiges Leben gewöhnt, daß er nicht imstande
    ist, sich mit der Wirklichkeit friedlich auseinanderzusetzen, und Warjenka gehört doch zur Wirklichkeit.«
    Ljewin hatte es sich jetzt schon vollständig angewöhnt, das, was er dachte, dreist auszusprechen, ohne sich die
    Mühe zu geben, es in genau zutreffende Worte zu kleiden; er wußte, daß seine Frau in solchen liebevollen
    Augenblicken wie jetzt schon aus einer bloßen Andeutung verstand, was er sagen wollte. Und sie hatte ihn

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