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Anna Marx 9: Feuer bitte

Anna Marx 9: Feuer bitte

Titel: Anna Marx 9: Feuer bitte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Grän
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fehlen ließen. Oder auch an mehr: Aufträge gingen nicht immer an die günstigsten Anbieter, sondern an teurere Firmen. Bauverzögerungen kosteten kleine Vermögen – und keiner sah richtig hin. Oder anders interpretiert: Das Wegsehen könnte für den einen oder anderen sehr lukrativ gewesen sein.
    Bruno atmet tief ein: Es stinkt. Er kann die Summen förmlich riechen, die diskret in Umschlägen übergeben oder auch auf Konten in der Schweiz oder Liechtenstein überwiesen wurden. Die Antibetrugsbehörde jedoch spricht von Schlamperei und Nachlässigkeit, weil keine Beweise für betrügerische Machenschaften gefunden wurden. Nun, das wird ein disziplinarisches Nachspiel für einige Beamte haben, aber Martin wusste es natürlich besser. Ein Name und eine Nummer: Bruno wird der Sache nachgehen müssen. Und noch einigen anderen Fällen aus der Erbschaft des Martin Liebling. Der König ist tot – es lebe der König!

17. Kapitel
    Jakob, der Lügner? Anna darf ihn Jack nennen, weil sie fast zur Familie gehört, wie der entfernte Verwandte ihres Sängerfreundes meint. Er ist nicht Portier im »Adlon«, sondern Hausdiener. Fjodors Beziehung zur Wahrheit ist unwegsames Gelände.
    Hausdiener Jack und Detektivin Anna schlendern am Wasser entlang, dort, wo die Stadt ihrem Ruf als Spree-Athen gerecht wird und trotz der Monumentalbauten klein geblieben ist. Große Schritte kann Anna nicht machen mit ihren idiotisch hohen Schuhen, doch sie ist froh, die kalte Pracht des »Adlon« hinter sich zu wissen. Nicht ihre Welt, ungemütlich teuer, und natürlich hätte sie gern einmal darin gewohnt, nur um die Abneigung konkret zu begründen. »Kleine Zimmer, große Preise«, sagt Jack abwertend, er spricht russisches Deutsch mit amerikanischem Akzent, und sein Traum ist immer noch das Luxushotel in Los Angeles, der Stadt der Superstars, die im »Adlon« nur sporadisch absteigen. Der Mensch braucht Träume, und sobald sie wahr werden, sucht er sich neue. Wenn er erst in Los Angeles arbeitet, wird ihn ein Regisseur entdecken und ihm eine Hauptrolle geben.
    Jack erinnert Anna an Fjodor, nur ist er jünger und attraktiver. Er redet viel und gestikuliert heftig, denn er ist eigentlich Schauspieler. Berlin ist nur eine Zwischenstation, eine Stadt mit zu vielen Russen, Tschechen, Rumänen, Türken … sibirische Verhältnisse, sagt Jack und nimmt Annas Fünfzig-Euro-Schein mit Geringschätzung entgegen. Nur weil sie Fjodors Freundin ist, verzeiht er ihr das Kleingeld für den Gegenwert seiner Informationen.
    O ja, er hat Richard Gore gut gekannt, man könne fast sagen, dass sie befreundet waren. Schließlich lebte der Gast aus Amerika fast sechs Wochen im »Adlon«. Zwar nicht in einer Suite, sondern in einem normalen Zimmer, doch mit Trinkgeld sei er stets großzügig gewesen. »Ein nobler Mensch«, sagt Jack, und in diese Kategorie fallen für ihn Menschen, die keiner richtigen Arbeit nachgehen und Geld so gering schätzen, dass sie es leichthändig unter die Leute bringen.
    Auf die Frage, was dieser Gore tagsüber getan habe, antwortet Jack: »Nichts.«
    »Wie … nichts?«
    Er sieht Anna an, die ganz eindeutig zur arbeitenden Klasse gehören muss: »Gore hat lange geschlafen und ausgiebig gefrühstückt, dann ist er in die Bar und hat getrunken – Champagner meistens, manchmal auch Schnäpse. Nachmittags hat er oft das Hotel verlassen, ist kurz vor dem Abendessen wieder gekommen … und dann hat er wieder getrunken. Das war sein Tag. Gegen zweiundzwanzig Uhr ist er fast immer weggegangen und – so sagen die Kollegen, weil ich ja Tagschicht hatte – sehr, sehr spät zurückgekommen. Das mit der Tagschicht ist schade, weil er nachts die besseren Trinkgelder gab. Viele Gäste sind im alkoholisierten Zustand vom Leichtsinn befallen. Ich werde mich in die Nachtschicht versetzen lassen.«
    Am Kanal stehen Angler, die scheinbar alle Zeit der Welt haben. So wie Richard Gore alias David Liebling. Die Männer mit den Gummistiefeln bewegen sich kaum und reden nicht, stehen einfach nur da. Die Welt dreht sich nicht im Wettlauf gegen den Tod, sie steht still. Nur die Wellen bewegen sich leise. Das Wort »Lebensentwurf« hat Anna nie leiden können. Alle Pläne sind hinfällig, wenn die Flut steigt. Sie würde jetzt gern eine Zigarette rauchen. Zum ersten Mal an diesem Tag denkt sie daran, und dass sie geschworen hat, damit aufzuhören. Alle, die um sie herum im »Mondscheintarif« versammelt waren, haben es gehört. Keiner hat’s geglaubt. Sie

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