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Anna Marx 9: Feuer bitte

Anna Marx 9: Feuer bitte

Titel: Anna Marx 9: Feuer bitte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Grän
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den bringt sie mit und stellt ihn auf den Tisch.
    Alicia raucht nicht, sie pafft, doch dies mit gewisser Grausamkeit, während Anna mit den Fingernägeln an rissigem Leder entlanggleitet. »Wissen Sie, wie das ist, wenn man in ein schwarzes Loch fällt … und weiß, dass man nicht mehr rauskommt?«
    »Man weiß es nicht«, erwidert Anna. »Aber der Wille ist da, sonst würde man nicht weiterleben wollen. Nochmals: Kannten Sie Martins Bruder David?«
    Die Stelle, an der er gelegen hat, erscheint Alicia heller als der übrige Holzboden. Eine Wohnung, von der sie sich nicht vorstellen kann, dass Martin sich hier wohl gefühlt hat. Er war ein Ästhet. Und schöne grüne Augen allein können es doch wohl nicht gewesen sein. Anna Marx ist so … kraftvoll. Vielleicht war es das, was ein kleiner Junge gesucht hat? Eine Frau, die nicht zurückweicht. Die sich den Luxus erlaubt, das Weibchen hintanzustellen. Gott, wie sie sie hasst. Und wünscht, sie wäre tot und nicht Martin.
    »Ich weiß nicht, was das soll, aber gut: David hat sich sporadisch gemeldet, wenn er Geld brauchte. Per Fax oder E-Mail, zweimal hat er angerufen von Gott weiß woher. Es ging immer nur um Geld, und Martin hörte nur von ihm, wenn er in Schwierigkeiten war. Ein schwarzes Schaf, das soll ja in den besten Familien vorkommen.«
    »Hat Martin ihm denn Geld geschickt?«
    »Was hat das mit dem Verbrechen zu tun? Ich glaube nicht, doch: einmal. Da saß David in Liberia im Gefängnis, und Martin hat die Kaution überwiesen, damit er rauskam. David wollte eine Brauerei in Monrovia aufmachen – und die Sache ist wohl schief gelaufen. Martin sagte immer, dass David ein besonderes Talent habe, Geschäfte in den Sand zu setzen. Er schätzte seinen Bruder nicht sonderlich.«
    Die Untertreibung des Jahres. Anna entdeckt einen winzigen Blutspritzer auf der Couch, den hat die Putzfrau übersehen. Ihr Finger streift darüber, und sie erinnert sich, wie sich Lieblings Haut anfühlte, als sie seinen rechten Knöchel berührte. So warm noch, und sie beginnt bereits zu vergessen, wie er war, als er noch lebte.
    Alicia hat ihren Zigarillo nach mehreren ungeschickten Anläufen getötet, und jetzt riecht es wie in Sibylles Kneipe. »Wussten Sie, dass David seit Wochen in Berlin war? Er muss doch in dieser Zeit Kontakt zu seinem Bruder aufgenommen haben.«
    »Davon weiß ich nichts«, erwidert Alicia, die jetzt aussieht, als sei ihr ein wenig übel. Die feindselige Maske trägt sie nach wie vor. Anna kann dahinter den Schmerz sehen, aber etwas hindert sie daran, Mitleid zu empfinden. Vielleicht sind es die Schuhe: Solch hässliche Exemplare hat sie noch nie an Frauenfüßen gesehen. Seht her, sagen diese Schuhe: Ich leide bis in die Zehenspitzen. Ich bin herzlos, denkt Anna, herzlos und oberflächlich. Und ich will wieder lachen, während Alicia für lebenslanges Weinen votiert. Nein, sie mag sie nicht, und umgekehrt verhält es sich genauso. Dass Martin diesen kleinen roten Vogel schamlos ausgebeutet hat, ist eine andere Sache. Oder etwa nicht?
    »Wann sind Sie in Berlin angekommen, Alicia?«
    »Gestern Abend. Ich werde morgen zurückfliegen. Ich mag Berlin nicht.«
    »Wer tut das schon? Und Sie haben wirklich nicht die leiseste Ahnung, wer Martin so gehasst haben könnte? Sein Bruder vielleicht?«
    Jetzt weint sie und zieht aus ihrer Handtasche ein schwarzes Taschentuch. Schwarz! Anna bewundert dieses Detail, weil ihr Sinn fürs Absurde schon immer ausgeprägt war. Alicia schnäuzt sich graziös, bevor sie antwortet. »Das meinen Sie doch nicht im Ernst! Warum sollte David das tun?«
    »Na, vielleicht, weil er dringend Geld brauchte. Und als Martin ihm keines geben wollte, hat er nach dem Baseballschläger gegriffen und …«
    Das hätte sie besser nicht gesagt, denn Alicia heult auf. Annas Nerven vibrieren bei diesem Geräusch. Wenn sie nicht aufhört, denkt sie, muss ich sie ohrfeigen. Sie ist hysterisch. Und sie gibt mir die Schuld. Weil einer schuld sein muss, das weiß doch jedes Kind. »Bitte nicht … Martin war sofort tot. Er hat nicht gelitten.« Er hatte kein Talent zum Leiden, das überließ er anderen. Anna, schon wieder herzlos, beendet ihren Gedankensprung zum Charakter ihres Exliebhabers, denn Alicia steht vor ihr und trommelt mit den Fäusten gegen Annas breite Schultern. Heulend, und während Anna versucht, die Hände ihrer Angreiferin zu fassen, tritt Alicia mit einem dieser furchtbaren Schuhe gegen Annas Schienbein. Es schmerzt höllisch, und Anna

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