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Anna Marx 9: Feuer bitte

Anna Marx 9: Feuer bitte

Titel: Anna Marx 9: Feuer bitte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Grän
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reagiert, ohne nachzudenken, mit einer Ohrfeige. Sie schlägt mit halber Kraft auf Alicias linke Backe. Als diese nach hinten taumelt und beinahe über den Tisch fällt, hält sie sie fest. Nach einem Schmerzenslaut ist sie endlich still.
    Sie sieht – Anna kann es kaum glauben – erleichtert aus. Als ob der Schlag sie von etwas erlöst hätte. Anna hält Alicia an den Oberarmen fest und setzt sie auf die Couch. Vorsichtshalber bleibt sie stehen.
    »Das hat wehgetan.« Alicia hält ihre Wange und sieht Anna an wie ein kleines Mädchen, das wieder gut sein möchte.
    »Mir auch. Können wir uns jetzt wie erwachsene Frauen betragen? Wie wär’s mit einem Glas Milch?« Das passt jetzt nicht, früher hätte sie Whisky gesagt oder zumindest Kaffee, doch Alicia nickt. »Gibt es auch Kakao?«
    Martin hat Kakao zum Frühstück getrunken, das Lebensmittel ist vorrätig, und Anna bringt zwei Tassen. Sie trinkt Milch, fettarm. Sie hat ja nicht nur ein Problem, sondern sitzt in der Schlangengrube der Entbehrungen: kein Sex, keine Zigaretten, kein Alkohol, kein gescheites Essen. Kein Geld und kein Trost weit und breit. Wozu ist das Leben gut, wenn es nur aus Entbehrungen besteht?
    Blöde Frage, sie hat es sich so ausgesucht. Das Vorher und Jetzt, und das Nachher wird sich finden. Martins Mörder muss gefunden werden, damit sie die Gespenster aus ihrer Wohnung vertreiben kann.
    Alicia trinkt Kakao in kleinen Schlucken und sieht Anna zum ersten Mal nicht feindselig an. »David war es nicht, da bin ich ganz sicher. Martin sagte, dass sein Bruder keiner Fliege was zuleide tun könne. Leute ausnutzen und betrügen, das ja, aber allem, was mit Gewalt zu tun hat, sei David aus dem Weg gegangen. Schon als Kind, er hat sich nie geprügelt.«
    »Menschen ändern sich, Alicia.«
    »Nein, tun sie nicht. Ich war immer so wie jetzt: unscheinbar. Meine Eltern haben mich kaum zur Kenntnis genommen, und so war es auch bei allen anderen Menschen. Nach den Anfangsbemühungen haben sie mich irgendwie vergessen. Meldeten sich nicht mehr, blieben einfach weg. Sehen Sie mich an: Ich bin klug, tüchtig, gar nicht unattraktiv. Ich habe mir die Haare feuerrot gefärbt, um aufzufallen. Und die Leute gehen an mir vorüber, als ob ich nicht existierte. Manchmal fühle ich mich unsichtbar … dann ist es mir schon passiert, dass ich es wirklich glaubte und jemanden berührte … Sehen Sie die Fliege da … auf dem grässlichen Gummibaum?«
    Niemand hat ihn je schön gefunden, weshalb Anna meint, ihn lieben zu müssen. Sie schaut auf das Insekt und dann wieder auf Alicia.
    »Ich fühle mich wie eine Fliege. Martin hat mir jede Woche Pralinen mitgebracht. Für ihn existierte ich wirklich. Ich glaube, dass Bruno die Diskette geklaut hat. Und wenn er das tat, kann er Martin auch umgebracht haben.«

19. Kapitel
    Das kleine Café an der Rue de la Loi ist schäbig, melancholisch und verraucht. Die Art von Lokal, in dem Aschenbecher nicht geleert werden und Gäste hastig verzehren, um wieder ins Freie zu kommen. Nur die Hartgesottenen, die Trinker und Heimatlosen, verweilen hier länger und verströmen eine Aura der Trostlosigkeit. Bruno Laurenz rümpft die Nase, denn dies ist längst nicht mehr seine Welt. John Schultz hat das Café ausgesucht, um Bruno zu quälen, nein, um umgestört zu sein. Hierher verirren sich keine Journalisten, Beamte oder Abgeordnete, hier ist Niemandsland. Der Wirt, ein ehemaliger Fremdenlegionär, sammelt Blumenstillleben und hat die unverputzten Wände mit Brueghel-Kopien dekoriert.
    Schultz trinkt »Duvel« aus der Flasche, preist das belgische Bier und amüsiert sich über Brunos angewidertes Gesicht. »Das hier ist das wahre Brüssel«, sagt er, nachdem er sich mit dem Handrücken Schaum vom Mund gewischt hat.
    Behaarte Hände, Kojotenaugen und breiter amerikanischer Südstaatenakzent: Er ist ein Frauentyp, denkt Bruno, weil dieser Mistkerl trotz allem attraktiv ist. Der Typ Marlboro-Mann, vermutlich haben sie ihn nach diesen Kriterien ausgesucht, zum »Senior Consultant« befördert und nach Europa geschickt. An den Sprachkenntnissen kann es nicht liegen, denn John ist stolz darauf, kein Wort Französisch zu sprechen. Dass er sich mit dem Wirt in seiner Version des Englischen über Brueghel den Älteren austauschte, verwunderte Bruno. Schultz meinte hinterher achselzuckend, dass er sich für flämische Malerei interessiere, aber natürlich nur für Originale. »Schönheit kostet eine Menge Geld«, sagte er und entblößte perfekte

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