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Anna Marx 9: Feuer bitte

Anna Marx 9: Feuer bitte

Titel: Anna Marx 9: Feuer bitte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Grän
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der Wirt wieder hinter der Theke verschwunden ist, fügt er leise hinzu: »Wenn überhaupt jemand einen Grund hatte, Martin umzubringen, dann sind Sie es, mein Lieber. Schließlich haben Sie ihm die Diskette gestohlen, und früher oder später wäre er dahintergekommen. Verstehen Sie mich nicht falsch: Mein Hang zu irdischer Gerechtigkeit ist zwergenhaft klein. Aber wenn es um Geschäfte geht, bin ich sehr penibel. Sie haben uns die Diskette verkauft, eine Menge Geld kassiert – und damit sind Sie raus. Keine Besuche mehr bei irgendwelchen Leuten, die auf Martins Liste stehen. Kein Wort über unseren Deal oder die Existenz dieses Dossiers. Wie viel weiß die Sekretärin?«
    Er hat sehr leise gesprochen, doch Brunos Ohren glühen. »Alicia? Sie wusste nichts davon. Martin war ein Geheimniskrämer, das wissen Sie doch.« Er hat Alicia geschützt, darauf ist Bruno beinahe stolz. Nicht, dass sie es verdient hätte, doch so übel war sie nicht, dass er sie Schultz zum Fraß vorgeworfen hätte. »Ich habe die Diskette ja auch nur zufällig gefunden.«
    »Ein Lottogewinn.« John Schultz hebt den Aktenkoffer hoch und legt ihn auf den Tisch. Er füllt ihn aus, und Bruno starrt darauf wie das Kaninchen auf die Schlange. Sein Mund ist trocken, er sollte etwas trinken, doch jetzt wäre der falsche Moment, nach dem Wirt zu rufen.
    Schultz hält seine Hand auf dem Koffer. Er trägt einen schweren Siegelring, den Bruno protzig findet. Amerikaner haben keinen Geschmack, keine Manieren und ein Selbstbewusstsein, das nur auf Einfalt gründen kann. Klugheit ist mit Zweifel verbunden. Bruno hat immer daran gezweifelt, dass die Welt gut genug für ihn ist.
    »Sie erwarten ja wohl nicht von mir, dass ich ihn hier öffne, oder? Nachzählen können Sie zu Hause, Bruno. Ein hübsches kleines Häuschen haben Sie, obwohl es doch ziemlich außerhalb liegt. Ihre Frau meint, dass Sie besser in die Stadt ziehen sollten. Sie fürchtet sich manchmal so ganz allein da draußen.«
    Furcht ist ein Gefühl, das sich im Magen ausbreitet wie eine große Welle. Sie trägt Bruno in das Niemandsland seiner Ängste, der bösen Welt nicht gewachsen zu sein. Weil sie nicht grau ist, sondern schwarz. Wenn er nachts auf der Straße geht und sie zu zweit auf ihn zukommen, versucht er, die Seite zu wechseln. Es gibt zu viele Schwarze in Brüssel, und zu viele Weiße, die einen auf anderem Niveau überfallen und ausrauben. Bruno ahnt, worauf der Kojote hinaus will. Was er getan hat. Und denkt, dass man für alles zahlen muss, auch für eine Million. Zum ersten Mal wünscht er sich, dass dies alles nicht geschehen wäre: die Mitnahme der Diskette, Martins Tod, seine Begegnung mit John Schultz. Das Leben vorher war langweilig, frustrierend manchmal, aber er hatte es unter Kontrolle. Er hat sie verloren, und John Schultz lächelt auf eine Weise, die die Welle überschwappen lässt. Er könnte jetzt den Koffer an sich reißen, aus dem Café laufen, ins nächste Taxi steigen und zum Flughafen fahren. Das könnte er, doch seine Hände und Füße sind taub, wie gelähmt. Bruno kann sich nicht bewegen, nur gezwungen lächeln und die Worte formen: »Was haben Sie mit ihr gemacht?«
    »Nichts, was Anstand und Sitte verletzen würde, Bruno. Was denken Sie von mir? Wir haben geplaudert – und sie hat mir das Haus gezeigt. Eine nette Frau haben Sie, vielleicht ein wenig redselig, aber manche Männer mögen das. Ich wusste gar nicht, dass Sie ein Faible für Modelleisenbahnen haben. Sehr hübsch, was Sie da im Keller gebastelt haben.«
    Furcht wandelt sich in Wut, und das ist gut so. Bruno verflucht Margret, denn es muss einen Schuldigen geben. Die Idiotin, die er geheiratet hat, wusste nichts Besseres zu tun, als Schultz zum Versteck zu führen. Die Diskettenkopie im Bahnhofshäuschen: Das Schwein hat sie gefunden. Er kann es in seinem Gesicht sehen, in dem überlegenen Grinsen und in diesen grauenhaften Augen. Vermutlich fand Margret ihn sogar anziehend, sie ist eine so dumme Person. Bruno wird sie verlassen, sobald er das Geld hat. Das blöde Haus kann sie seinetwegen behalten, doch die Katze wird er mitnehmen. Das einzige Wesen, das ihn nie unterschätzt hat. Bruno räuspert sich vor seinem Kotau: »Gut, John, Sie haben mich erwischt. Ich bin tot. Kann ich nun das Geld haben?«
    Seine Hand schiebt den schwarzen Aktenkoffer in Brunos Richtung, nur ein paar Millimeter. »Kann ich davon ausgehen, dass ich die einzige Kopie, die existierte, gefunden habe? Überlegen Sie gut,

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