Anna Strong Chronicles 04 - Der Kuss der Vampirin
gefunden.«
»Das kann nicht sein. Das war mein Kleid, und ich weiß genau, wo ich es gelassen habe. Nicht in diesem Haus.«
Sie winkt ab. »Du meine Güte. Was ist so wichtig daran, wo du es gelassen hast? Vielleicht ist es gar nicht dasselbe Kleid.«
»Doch, ist es. Es war ein Einzelstück.« Ich zögere einen Augenblick und überlege, ob ich noch etwas sagen sollte. Als ihre Miene sich zu Gereiztheit verdüstert, werde ich ärgerlich. »Das weiß ich, weil Avery es mir gesagt hat. An dem Abend, als er es mir geschenkt hat.«
»Und du hast alles geglaubt, was er dir erzählt hat. Wohin hat dich das gebracht?«
Ihre Finger beginnen sich rastlos zu bewegen, zupfen an dem Kleid, prüfen die Seide, spielen am Ausschnitt herum. Es ist, als wollte sie dadurch die Anspannung abbauen, die ich nun wieder in ihren Blick treten sehe. Sie kämpft um Beherrschung – aber was will sie unter Kontrolle halten? Sich selbst? Mich? Ich habe jetzt Mühe, in ihr die Frau zu erkennen, die mich in Culebras Bar allein mit dem Klang ihrer Stimme, mit der Wärme ihres Lächelns bezaubert hat. Auf einmal komme ich mir dumm vor. Warum stehe ich hier herum, aufgedonnert wie ich bin, um eine Frau zu verführen oder von ihr verführt zu werden, die zu beidem wenig geeignet erscheint?
Ich spüre, wie sie mich beobachtet. Als ich ihrem Blick begegne, haben die hektischen Bewegungen aufgehört. Ihr Gesichtsausdruck ist wieder ruhig und leicht verschlossen. Als hätte sie meinen letzten Gedanken erraten, steht sie auf.
»Wir können tun, was immer du willst, Anna«, sagt sie mit einer Stimme so herb wie Federweißer.
Sie streift sich die Träger des Kleides von den Schultern, und es fällt ihr als seidene Pfütze zu Füßen. »Du brauchst mich nur darum zu bitten.«
Kapitel 31
Ich ziehe scharf den Atem ein. Ihr Körper ist schöner, als ich ihn mir ausgemalt habe. Der Feuerschein taucht sie in eine goldene, sacht flackernde Aura. Er fängt sich in ihrem Haar, das ihn zu-rückwirft wie flinke kleine Funken. Sie ist an den richtigen Stellen schlank, schmale Taille, fein gemeißelte Hüften und Oberschenkel, und an den richtigen Stellen üppig, perfekte Brüste, ein fester, runder Po. Sie hat keine Schamhaare, überhaupt keine Haare am Körper. Trotz der weiblichen Figur verleiht ihr das etwas Unschuldiges, Verletzliches.
Ich will ihre Blöße bedecken. Sie bitten, das Kleid wieder anzuziehen. Sie beschützen.
Sandra lässt mir Zeit, sie zu betrachten, ihren Anblick zu genießen. Sie weiß, dass ich keine andere Wahl habe und den Blick nicht abwenden kann.
Sie nimmt meinen Geist ein, wirbelt meine Sinne durcheinander.
Im nächsten Augenblick ist alles anders.
Jetzt keuche ich vor Begehren. Mein Blut rast, meine Haut ist heiß vor so intensiver Leidenschaft, dass ich von innen und außen zu brennen scheine.
Der Vampir in mir ist gefährlich nahe dran, sich zu nehmen, was er will. Die menschliche Anna, deren Vernunft immer noch schreit, sie müsse sofort hier raus, versinkt allmählich. Ich will Sandra nicht mehr beschützen. Ich will ihre Nacktheit an meiner spüren. Ihre Tiefen mit Fingern und Zunge erkunden. Sie schmecken. Ihre empfindlichsten Punkte finden und sie zum Schreien bringen, in derselben drängenden Lust, von der ich besessen bin.
»Worauf wartest du, Anna?« Sie breitet einladend die Arme aus. »Du willst mich. Ich kann es spüren.«
Ich will sie. So sehr, wie ich niemanden mehr gewollt habe seit .... Ihr Blick bohrt sich brennend in meinen. Es sind ihre Augen, aber irgendwie anders. Vertraut. Bedrohlich.
»Es wäre so schön gewesen, Anna. Ich habe so lange auf eine Gefährtin gewartet, die meiner würdig ist. Ich war glücklich, als ich dich gefunden habe und dir zeigen konnte, was möglich ist. Ich habe dich geliebt. Ich habe dich geliebt.«
Ihre Stimme. Ihre Stimme, aber anders. Die Worte klingen zornig, enttäuscht und unsäglich traurig.
O Gott.
Ich trete fassungslos einen Schritt zurück. Sandras Gesicht, Sandras Gesicht ist völlig ausdruckslos.
Nur ihre Augen sind anders. Es sind seine Augen, funkelnd und lebendig. Das sind seine Worte. Seine letzten Worte.
Kapitel 32
Ich treffe keine bewusste Entscheidung zu fliehen. In einem Moment starre ich in Sandras Gesicht, in Averys aufgerissene, erbarmungslose Augen, und im nächsten renne ich durch die Haustür hinaus in die Nacht, weg von dieser Erscheinung.
Vom Kopf her weiß ich, dass das, was ich gesehen habe, nicht echt war. Mein Herz jedoch lässt
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