Anna Strong Chronicles 04 - Der Kuss der Vampirin
zurück zu David. Ich kenne ihn wohl schon so lange, dass ich völlig immun dagegen bin, wie er auf Frauen wirken muss. Er ist ein großer Mann mit harten Muskeln, breiten Schultern, aber schlank. Er trägt eine Jeans und Tennisschuhe ohne Socken.
Ein dunkler Typ und gutaussehend mit markantem Kinn, vollen Lippen, blauen Augen und stachelig-kurzem Haar. Er schwingt die Axt mit lockerer Kraft, und die Muskeln an seinen nackten Armen brauchen sich nur wenig zu spannen. Ihm ist nicht bewusst, dass er Zuschauer hat, deshalb ist da keine Verlegenheit oder Verstellung in der Art, wie er diesen Haufen Brennholz attackiert.
Und attackieren ist genau das richtige Wort. Ich glaube zu wissen, an wen er dabei denkt.
Tamara starrt ihn immer noch an. Sie macht keine Anstalten zu gehen, also sage ich ihr, sie solle stehen bleiben, während ich ihn auf uns aufmerksam mache. Es wäre ganz unnötig, ihn zu Tode zu erschrecken und sich dabei womöglich den Schädel einschlagen zu lassen.
Ich schlage einen Halbkreis, bis ich vor ihm stehe.
Er ist so in die Arbeit und seine Musik vertieft, dass es sicher keinen Zweck hätte, laut zu rufen.
Ich wedele mit den Armen und springe auf und ab, bis er die Be wegung wahrnimmt und zu mir auf blickt.
Sein Gesicht läuft rot an. Er hält die Axt wie eine Waffe vor sich. »Was zum Teufel willst du hier?«
»Ich freue mich auch, dich zu sehen. Möchtest du die Axt weglegen, damit wir uns unterhalten können?«
Er funkelt mich immer noch böse an, als Tamara zu mir tritt. Sie grinst wie eine Bekloppte. »Sie sind David Ryan, oder? Gewinner der Heisman Trophy? Tight End bei den Broncos?«
Jetzt bin ich es, die Tamara erstaunt anstarrt. »Du weißt, wer er ist?«
David blickt von mir zu Tamara. Neugier weicht den Ärger auf. Er lässt die Axt fallen und zieht sich die Ohrhörer aus den Ohren. »Und wer sind Sie?«
Sie streckt ihm die Hand entgegen und geht einen Schritt auf ihn zu. »Ich heiße Tamara, aber alle nennen mich Tammy. Ich habe Anna hierhergefahren. Aber ich hatte ja keine Ahnung, wen wir hier besuchen. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie ich mich freue, Sie kennenzulernen.«
Ich höre mit offenem Mund zu. Alle nennen mich Tammy? Das ist ja, als würde man einen Tiger »Miezi« rufen.
David lächelt. Er ergreift Tamaras Hand und schüttelt sie. »Football, das war in einem anderen Leben. Ich denke kaum noch daran.«
»O nein«, entgegnet Tamara. »Sie haben phantastisch gespielt. Wenn Sie nicht in diesem Giants-Spiel gefoult und am Knie verletzt worden wären, dann würden Sie immer noch spielen. Das war eine miese Nummer, und Rutherford hätte dafür lebenslang gesperrt werden müssen.«
Ich kann nicht glauben, was ich da sehe und höre.
Seit sie mit David spricht, wirkt Tamara viel weicher, und ich will verdammt sein, wenn sie nicht sogar anders aussieht. Hübscher irgendwie, femininer. Herrgott, ist das noch ein Zauber? Hier stehe ich und höre zu, wie eine muskelbepackte Amazone, eine Werwölfin obendrein (von der ich außerdem geschworen hätte, dass sie lesbisch ist und auf Sandra steht), hingerissen mit einem muskulösen, definitiv heterosexuellen Ex-Football-Spieler flirtet, dessen Brust anzuschwellen beginnt wie ein aufgepumpter Fahrradschlauch. Sie scheint völlig vergessen zu haben, warum sie mich hierhergebracht hat.
»Sie wissen, wie meine Knieverletzung passiert ist?«, fragt David offensichtlich geschmeichelt. Das reicht jetzt. Ich trete zwischen die beiden.
»He. Ich bin nicht ohne Grund hier heraufgekommen, und ich habe nicht den ganzen Tag Zeit. Ihr beiden könnt ein andermal in Erinnerungen schwelgen. David, ich muss mit dir reden.«
Das angenehme Gesicht, das er Tamara zeigt, wandelt sich wieder in das wütende Antlitz, mit dem er mich empfangen hat. »Ich habe dir gesagt, du sollst mich in Ruhe lassen.«
»Glaub mir, das würde ich nur zu gerne tun. Leider geht das nicht. Gloria braucht dich. Und nein, ich kann auch nicht glauben, dass ich das sage. Du musst sofort zurück nach San Diego kommen.«
David starrt mich ungläubig an. »Wovon redest du überhaupt? Warum glaubst du, es könnte mich interessieren, was Gloria tut? Bist du irre?«
»Die Frage hörst du öfter, was?«, fragt mich Tamara mit gehässigem Grinsen.
Ich ignoriere sie und konzentriere mich auf David. »Gloria steckt in Schwierigkeiten.«
»Ach, im Ernst? Sie sitzt wegen Mordverdachts im Gefängnis.«
Ich schüttele den Kopf. »Sie ist auf Kaution draußen, aber vielleicht nicht
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