Anna Strong Chronicles 04 - Der Kuss der Vampirin
Durchschnitt drei Millionen Dollar kosten.
Ich setze ein strahlendes Lächeln auf. »Ja, ich möchte zu meiner Tante. Aber ich habe ein Problem mit dem Wagen. Ich habe schon meinen Freund angerufen, er schickt einen Abschleppwagen. Dürfte nicht mehr lange dauern.«
Er schaut zur Motorhaube des Hummers. »Möchten Sie, dass ich mal einen Blick hineinwerfe?«
»Nein, danke. Das ist wirklich nicht nötig. Dasselbe Problem hatte ich schon mal. Ich gehe einfach rüber zu meiner Tante und warte dort auf den Abschleppdienst.«
»Ich fahre Sie gern hin«, sagt er. »Wie lautet die Adresse?«
»Ach, sie wohnt gleich hier um die Ecke, es macht mir nichts aus, zu Fuß zu gehen. Es ist so herrlich hier.«
Er mustert mich und fragt sich zweifellos, ob ich wie eine Massenmörderin, Einbrecherin oder, schlimmer noch, eine Landstreicherin aussehe. Anscheinend halte ich seiner Inspektion stand, denn er verabschiedet sich mit dem Zweifingergruß und einem knappen »Schönen Tag noch, Miss«.
Er kehrt zu seinem Wagen zurück, und ich sehe, dass er sich die Zeit nimmt, das Kennzeichen des Hummers zu notieren. Er tut das sogar besonders auffällig und noch ehe er einsteigt, eine wenig subtile Botschaft an mich: Keine Dummheiten, ich habe deine Autonummer. Die Tatsache, dass ich einen Siebzigtausend-Dollar-Wagen fahre, erhebt mich hier in Fairbanks Ranch keineswegs über irgendeinen Verdacht.
Ich rechne halb damit, dass er mir folgt, als ich aussteige, und dann hätte ich ein Problem. Er sieht zu, wie ich den Hummer abschließe, und ich spüre seine Blicke, als ich den Bürgersteig entlanggehe. Aber gleich darauf fährt er los und rollt mit einem dritten Pseudo-Salut an mir vorbei.
Ich gehe bis zum Tor der O’Sullivans. Da ist eine Überwachungskamera, aber sie ist aufs Tor gerichtet, nicht auf die kleine Tastatur daneben, und sie dreht sich auch nicht zu mir herum, als ich den Code eingebe. Hat Jason dafür gesorgt? Wenn er tatsächlich daran gedacht hat, auch die Kamera auszuschalten, ist er ein verdammt schlauer Junge.
Das Tor schwingt auf, ich sprinte hindurch und halte mich hinter den Büschen, die die Auffahrt säumen. Ich weiß nicht, wie viele Überwachungskameras auf dem Gelände installiert sind, und Jason weiß es wahrscheinlich auch nicht. Die eine am Tor ist nicht zu übersehen.
Von der Straße aus kann man das Haus nicht sehen, aber ich weiß, was ich erwarten darf, und ich werde nicht enttäuscht. Die O’Sullivans wohnen in einer großen Villa im Tudor-Stil, umgeben von einem Morgen gepflegter Rasenflächen. Von außen scheint das Haus hundert Zimmer zu haben.
Die gepflasterte Auffahrt führt ums Haus herum.
Jason hat gesagt, das Büro seines Vaters liege hinten. Also gehe ich in diese Richtung.
Das Erdgeschoss hat ungefähr ein Dutzend zweiflügeliger Terrassentüren. Ich muss in jedes einzelne Zimmer spähen, ehe ich das finde, das zu den Fotos vom Tatort passt. Ich wünschte, ich könnte Handschuhe anziehen. Leider habe ich keine dabei, denn ich konnte ja nicht damit rechnen, dass ich mit dem Hummer hierherfahren würde. Ich habe erwartet, mit dem Jaguar zu kommen, in dem die Handschuhe liegen. Also tue ich das Nächstbeste – ich ziehe den Saum meines T-Shirts aus der Jeans und wickele ihn um meine Finger, ehe ich die Tür anfasse.
Sie geht auf.
Ich trete ein, schließe die Tür und warte kurz ab, ob ich vom Schrillen einer Alarmanlage empfangen werde. Nichts. So weit, so gut.
Das Arbeitszimmer sieht genauso aus wie auf den Fotos – außer dass O’Sullivans Leichnam nicht mehr halb auf dem Schreibtisch liegt. Die Spurensicherung hat den Tatort offenbar schon freigegeben, denn ich sehe kein Absperrband in der Tür, und der Raum ist frisch geputzt. Anscheinend haben sie die Schreibtischunterlage mitgenommen, und es fehlt ein Stück Teppich, etwa da, wo O’Sullivans Stuhl gestanden hat. Der Bürostuhl fehlt auch. Auf einem Sideboard steht eine Schachtel mit Taschentüchern. Ich ziehe eines heraus. Da ich hier wahrscheinlich nichts Interessantes finden werde, verlasse ich das Zimmer, wobei ich den Türknauf mit dem Taschentuch anfasse, und mache mich auf die Suche nach Mrs. O’Sullivans Arbeitszimmer.
Jason hat gesagt, es sei oben. Die erste Herausforderung besteht darin, die Treppe zu finden. Vom Arbeitszimmer aus tritt man auf einen Flur, der beinahe so breit ist wie mein Wohnzimmer. Er ist mit dunklem Mahagoni getäfelt und wird von Porträts gesäumt. Die Kombination der dunklen Täfelung mit
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