Anna und Anna (German Edition)
Keizersgracht führt, und versuchen, ins Wasser zu spucken. Was ganz schön schwierig ist, weil sich an diesem schönen Frühlingstag die Ausflüglerboote so drängen und die Schiffe auch noch alle mit offenem Verdeck fahren. Ich treffe statt des Wassers fast einen Herrn mit Kamera und ohne Haare.
»Hier müssen wir kurz stehen bleiben«, sagt Jan. Und wir bleiben stehen und beobachten, wie mitten in Amsterdam Reiher aufs Straßenpflaster niedersinken, um sich zwischen Marktbuden an Fischabfällen gütlich zu tun.
»Hier müssen wir uns hinsetzen«, sagt Jan. Und wir setzen uns in den Park beim Rijksmuseum zwischen lauter andere Leute und wir sitzen nur und irgendwann legen wir uns ins Gras zurück und blinzeln hinauf in den Himmel und alles ist gut.
Bist du nicht neidisch, dass du das alles nicht erleben kannst? Ich an deiner Stelle würde platzen vor Neid.
Mein lieber Anna-Schatz,
wenn du mit Jan zurück ins Hotel kommst, bin ich vielleicht noch nicht da.
Dann bin ich noch aus. Ich!
Denn ER ist vorbeigekommen! Wirklich und tatsächlich. In Amsterdam, nur um mich zu sehen. Das machen Brieffreunde so, nicht wahr? Hin und wieder. So wie du und Jan.
Er hat mich zum Essen eingeladen, aber ich habe gesagt, mehr als ein Kaffee und ein winziges Stück Kuchen sind nicht drin.
Er hat gesagt: Achtest du noch immer auf deine Tänzerinnenfigur, schöne Frau?
Und ich habe gesagt: Nein, nur auf mein anderes Bein.
Aber dann tat es mir schon leid, das gesagt zu haben, und ich habe ganz schnell erklärt, dass uns nur so wenig Zeit bleibt, weil ihr bald wiederkommt.
Doch er hat nur gelacht und gesagt: Jede einzelne Minute mit dir und deinem einen Bein ist ein Gewinn.
Also warte bitte noch einen Augenblick, dann bin ich da und wir können zu Abend essen.
Oma Bloom,
die schöne Frau
Liebe Oma,
ich bin mit zu Jan nach Hause gegangen. Seine Mutter kocht uns etwas und sie bringen mich später wieder zum Hotel, sagt Jan.
Wehe, du kommst mich holen. Wehe, du rufst an.
Geh und lass dich einladen von IHM.
Hab Spaß!
Und morgen will ich alles wissen.
Kuss
Bloom
PS
Sie hatten tolle Platten in dem Laden! Ich habe dir eine mitgebracht. Eine, zu der du getanzt hast, als du sechzehn warst.
Mein liebes linkes Bein,
heute hat sich jemand nach dir erkundigt. Es war eine impertinente Person, würde ich sagen.
»Oh, wie schrecklich. Was ist denn mit Ihrem Bein passiert?«, fragte sie mich, als sie eigentlich unsere Bestellung hätte aufnehmen sollen.
Ich widerstand der Versuchung, mein hochgerutschtes Hosenbein über den künstlichen Knöchel wieder nach unten zu ziehen. »Oooh«, fing ich mit meiner Erklärung an, kam aber nicht weit.
»Es wurde von einem tollwütigen Elefanten zerquetscht«, sagte Anna.
»Es wurde unter einem entgleisten Zug begraben«, sagte Jan.
»Es war ihr einfach nicht mehr schön genug«, sagte Henri. »Da hat sie es abnehmen lassen.«
Ich lächelte die inzwischen mauloffen dastehende Person an. »Nun«, sagte ich, »jetzt wissen Sie ja Bescheid. Könnten Sie uns bitte vier Mal den Früchtebecher bringen? Mit extra viel Sahne? Danke.«
Die impertinente Person trollte sich. Und sprach mit uns kein einziges Wort mehr. Schade eigentlich, denn ich bin ihr ja eine Antwort schuldig geblieben. Willst du wissen, wie sie gelautet hätte? So:
Du bist mir einfach abhandengekommen. Wie anderen Menschen ein Stock oder Hut.
Also bilde dir ja nichts darauf ein.
Liebes verloren gegangenes Bein,
es tut mir leid, es dir sagen zu müssen, aber du hast wirklich etwas versäumt.
Was?
Die einbeinigen Piraten vom Rosensteg haben zum ersten Mal ihr Boot gesehen!
Es ist so lang, dass Anna und ich, Jan und Henri, Jans Mutter Helen und Helens Freund James alle hineinpassen. Es ist so flach, dass man die Hand ins Wasser hängen kann, wenn man sich ein wenig vorbeugt. Es hat einen starken, zuverlässig tuckernden Außenbordmotor und hört auf den schönen Namen Juliet II .
Anna und ich standen stumm vor Staunen. So lange, dass Jan schließlich fragte: »Sollen wir ohne euch ablegen?«
Hoho, von wegen.
»Was ist denn mit Juliet der Ersten passiert?«, fragte ich, während Henri mir an Bord half.
»Verstorben«, sagte James. »In Verona. Vor langer Zeit.«
Henri lachte.
Ich dachte: Aha, James hat eine Vorliebe für Shakespeare und Helen eine für romantische Schwärmer. Das könnte passen.
Anna und Jan saßen so dicht nebeneinander, dass sich
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