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Anna und Anna (German Edition)

Anna und Anna (German Edition)

Titel: Anna und Anna (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Inden
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»Aber wenn die Zeit kürzer wird …«
    »Oma«, sagte Anna ernst. »Es dauert noch ganz lange, bis du stirbst.«
    »So?«
    »Jan hat gesagt, heute werden immer mehr Menschen über hundert. Ständig, sagt er, stehen die in der Zeitung. Du kannst doch auch einfach hundert werden.«
    »Hundert und fit wie eine Sechzigjährige, das würde mir gefallen«, sagte ich. Ich sagte nicht: Aber so läuft das nicht. Und hundert und alt und kaputt will ich gar nicht sein, tut mir leid, kleine Anna.
    »Auf jeden Fall wirst du noch achtzig«, erklärte Anna. »Und neunzig. Klar?«
    »Aye, aye, Käptn.«
    Ich drückte meine kleine Anna an mich.
    Wie so oft, hat mich meine Enkeltochter auf etwas gebracht: Ich bin noch nicht bereit, nur Erinnerungen nachzuhängen. Darf ich dich an Amsterdam erinnern? Du hast mich dort doch etwas gefragt, weißt du noch? Ich möchte meine Antwort gerne ändern, wenn ich das darf.
    Ich sage jetzt Ja.
     
    Anna
     

     
    Lieber Henri,
     
    ja, ich meine das ernst. Und ja, ich freue mich auch wie verrückt. Jetzt jedenfalls, da du ebenfalls Ja gesagt hast. Per Telegramm. Wir sind doch recht alte Käuze!
    Ich kann das alles noch gar nicht richtig begreifen. Und es mir auch noch gar nicht richtig vorstellen. Nur wir zwei? Gut, und die ganze Welt. Aber mit der nehmen wir es auf.
    Bis zum neuen Jahr wollen wir warten. Ist das recht?
    Das gibt mir noch eine kleine Galgenfrist, bevor ich es meiner Familie sagen muss. Und bevor ich sie verlasse, meine Anna, meine Bella und meine Jungs. Vor drei Jahren hätte ich noch nicht gedacht, dass mir das so viel ausmachen würde.
    Siehst du wohl! Das Leben ist nach wie vor Veränderung. Auch für solch alte Käuze wie unsereins.
     
    Es krächzt dir einen Gruß der Liebe zu
    deine Anna.
     

     
    Lieber Henri,
     
    falls Benni uns in diesem Jahr wieder zwingt, einen Brief ans Christkind zu schreiben, weiß ich genau, was meine kleine Anna sich in ihrem wünschen wird: Janjanjanjan.
    Und vielleicht noch: JAN !
    Es ist wirklich ein schwerer Fall von erster großer Liebe. Der lässt sich nicht so einfach kurieren. Bei Anna zumindest. Im Gegenteil scheint sie täglich tiefer in ihren Gefühlen zu versinken. Und das, obwohl das Objekt ihrer Begierde nicht einmal anwesend ist.
    Jan sitzt ja weiter hübsch in Amsterdam!
    Er schreibt meiner Enkelin, oh ja. Hin und wieder. Wenn ich morgens mit meinem ungesüßten Milchkaffee in der Hand der Sonne beim Aufgehen und meinem Schwiegersohn beim Postdurchsehen zuschaue, ist auch immer mal ein Brief für meine kleine Anna dabei. Nur weiß ich, dass sie ihm viel, viel öfter schreibt als er ihr. Und dass sie ständig an ihn denkt. Bella macht sich schon Sorgen deswegen.
    Ich erinnere mich, ich sagte Anna einmal: Er ist halt ein Mann!, als sie rätselte, warum er ihr wohl nicht schreibe. Ich sagte wohl so etwas wie: Männer lassen lieber Taten als Worte sprechen. Ich denke immer noch, dass das stimmt. So generell. Aber jetzt bei Jan?
    Von der Aufrichtigkeit seiner Gefühle war ich stets überzeugt. Von der Tiefe auch. Nur frage ich mich inzwischen, ob solch tiefe, aufrichtige Gefühle in solch jungem Alter nicht überfordern. Und dann Gefahr laufen zu versanden.
    Weg ist sie, die Liebe. Begraben unter Ratlosigkeit und Unsicherheit.
    Ich erwähne das meiner Anna gegenüber mit keinem Wort. Und auch du bist hiermit zu absolutem Stillschweigen verpflichtet. Womöglich irre ich ja. Hoffentlich irre ich!
     
    Die Daumen drückend,
    deine Anna
     

     
    Lieber Henri,
     
    das Christkind hatte ein Einsehen! Oder der Weihnachtsmann, ganz sicher ist das nicht. Jedenfalls kommt Jan zum Fest nach Hause. Zu seinem Vater. Also auch zu uns.
    Ich persönlich habe ja meine Enkelin selbst im Verdacht. Nicht nur dass sie in ihrer ganzen lockenköpfigen, dickschädeligen Pracht ein trefflicher Grund ist, aus Amsterdam anzureisen. Nein, sie hat ihrem Jan auch die Leviten gelesen. Sie gestand mir, dass sie ihm unseren sommerlichen Familienzwist feinsäuberlich aufgeschrieben hat.
    »Es ist doch wie bei ihm«, hat sie mir erklärt. »Das muss er doch sehen. Das muss er doch begreifen. Bist du mir böse?«
    Böse? Mitnichten. Der Junge weiß sowieso schon so viel von mir und ich ja andersherum so viel von ihm, dass es nur recht und billig ist, wenn er auch von Paris erfährt. Und davon, dass Liebe manchmal wartet.
    Selbst für die von uns, die doch eigentlich solch ungeduldiges Naturell haben.
    Erstaunlich eigentlich.
     
    Tief verwundert verbleibe ich heute

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