Anna und Anna (German Edition)
für eine Weile. Und im Herzen sowieso nie. Darauf verlass ich mich.
Wir werden ja trotzdem in Kontakt sein! Du kannst mich alles fragen, ich werde dir alles erzählen, was ich von der Welt sehe, denke und halte. Postalisch. So hält es für die Ewigkeit. Nachlesbar noch in Jahren, wenn ich längst nicht mehr bin und du selbst eine alte Schachtel geworden bist. Dann wirst du die Zeilen wieder hervorkramen, die ich dir aus der Südsee schrieb, und sagen: »Mittags soll ich nicht in die Sonne gehen? Was war sie doch für eine kluge Frau, meine Oma.«
Oder so.
Das würde ihr gefallen,
deiner Oma.
Mein liebes linkes Bein,
heute werden wir einkaufen gehen. Shoppen, nennen das Anna und Bella. Sie kommen beide mit.
Einen Strohhut für die Südsee soll ich zum Beispiel kaufen, Tabletten gegen Seekrankheit für den Ozeanriesen, Tabletten gegen Reisekrankheit für alles andere, und, darauf besteht Anna, viel, viel Schreibpapier.
»Denn egal, wo du bist«, hat sie gesagt, »egal, was du tust, ich will alles wissen.«
Bei mir zu Hause waren wir schon und haben meine Garderobe durchwühlt. Das Unterste zuoberst gekehrt haben die beiden auf der Suche nach allem, was funkelt und glitzert, aus Seide, Brokat oder Samt zusammengeheftet ist. Anna war entzückt, wie viel da zu finden war.
»Würde mir der auch stehen?«, fragte sie und drehte sich in einem Taftunterrock.
»Den braucht doch Oma«, tadelte Bella und beäugte selbst höchst interessiert meine goldenen Abendpantoffeln mit den aufgestickten Drachen.
»Den nicht«, sagte ich entschieden und schubste den Rock mit Anna darin vor den Spiegel. »Die auch nicht«, ich drückte meiner Bella die Schuhe in die Hände. »Das aber schon.« Ich angelte mein altes Opernglas aus einer Schublade.
Die Festspielhäuser dieser Welt werde ich mit Henri bereisen, die Scala und die Met werden wir besuchen. Und ich muss doch ganz genau hinsehen können, wenn ich, mit verächtlich geschürzten Lippen, zu Henri sagen will: »Jetzt schau dir nur diese Primaballerina an! Die Technik stimmt, aber wo bitte ist der Ausdruck? Das hätte ich besser gekonnt.«
Und er wird sagen: »Du könntest es noch, Annabelle.«
Wir werden beide wissen, dass er lügt, aber wir werden uns beide gut dabei fühlen.
Du, mein einst so umschwärmtes, einst so topfittes Bein, du weißt, zu was wir in der Lage waren. Dich hätte ich natürlich gerne dabei, aber wie die Dinge nun mal liegen, werde ich mich ohne dich in mein nächstes Abenteuer stürzen müssen.
Gehab dich wohl, in deinem stillen Grab unterm Apfelbaum!
Anna B. geht jetzt auf Reisen!
Liebe Oma,
vielen, vielen Dank für mein Geburtstagsgeschenk!
Es ist so schön, dass ich es nie, nie mehr ablegen werde. Die Türkise sehen so aus, wie ich mir den Pazifik zur Mittagsstunde vorstelle.
Mary-Lou meinte auch, dass sich deine Reiselust für uns echt lohnt. Sie ist ganz neidisch auf die geheimnisvollen Päckchen, die mit so schöner Regelmäßigkeit bei uns eintrudeln. Und sie sagt, sie will es mal so machen wie du: »Ich suche mir auf jeden Fall einen reichen Mann«, hat sie erklärt. »Millionär oder Märchenprinz. Drunter mach ich’s nicht.«
Sie findet außerdem, dass doch ein Paar Ohrringe ganz hervorragend zu meinem neuen Indianer-Armband passen würde. Auf meinen Einwand hin, dass ich gar keine Ohrringe trage, weil ich ja nicht einmal Löcher habe, hat sie bestimmt: »Wir lassen dir sofort welche stechen!«
Haben wir natürlich nicht getan. Will ich ja nämlich gar nicht. Obwohl ich, wenn ich so darüber nachdenke, zugeben muss, dass mir ein einzelner Ohrring gefallen könnte. Den tragen Piraten schließlich auch! Und Seeleute. Gab es da nicht so eine gruselige Geschichte, dass sie mit ihren goldenen Ohrringen die Meeresgötter besänftigen wollten? Also falls sie Schiffbruch erlitten und sich freikaufen mussten aus den Armen der schönen, blutdürstigen Nixen. Oder so.
Zusammengefasst, Oma: Türkise bringen es dann wohl nicht, solltest du mir irgendwann mal Ohrschmuck verehren wollen. Gold muss es sein!
Ihr habt nicht vielleicht vor, demnächst auf den Spuren der Inkas zu wandeln?,
fragt deine gierige Enkeltochter,
die allerdings allen Schmuck der Welt sofort gegen deine Gesellschaft eintauschen würde.
Liebe Oma,
ich muss zugeben, diese Vodoo-Nummer klingt verlockend. Es stimmt also wirklich: Reisen bildet!
Ich für meinen Teil bilde mir ein, genau zu wissen, wie die mit
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