Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition)
vorbei.“
„Hör jetzt auf, dich wie eine Braut zu zieren!“, schrie sie plötzlich. „Denk nach! Erinnere dich, du bist keine hundert Jahre alt! Erzähl! Ich bin mir sicher, du weißt noch ziemlich genau, was dort passiert war!“
Der junge Mann blickte die beiden flehend an.
Die Schlange richtete ihre Augen auf ihn, die wie zwei leuchtende Projektoren ihn zu durchleuchten schienen. Ihr fragender Blick haftete an ihm, als wenn sie eine Ewigkeit auf seine Geschichte warten könnte.
Anna setzte sich auf einen der Ringe, die Scharta für sie zusammengerollt hatte und rückte vor lauter Ungeduld hin und her.
Plötzlich wachte der Gögling auf. Er schälte sich aus seinen Ohren und blickte sich neugierig in der Kammer um. Die Fackeln mit dem bläulichen Feuer entlockten ihm ein seliges Lächeln und seine Glupschaugen blitzten voller Begeisterung auf. Sobald er aber die Schlange sah, rollte er sich sofort ein und stellte sich still.
Ian streichelte ihn beruhigend über den Kopf. „Ist ja gut. Kein Grund zur Sorge.“ Er atmete tief durch. „Gut, ich werde versuchen, das alles zusammenzubekommen.“
Kapitel 25. Enttäuscht.
Die Herrscherin der Unterwelt stand vor der Glaswand und starrte auf die funkelnden Edelsteine in den prall gefüllten Truhen. „Dieser junge Mann ist schwieriger, als ich angenommen hatte. Ich biete ihm ein Leben in Saus und Braus, Macht und Geld. Das ist es doch, was die Jungen heutzutage wollen! Manche sind bereit, jeden Preis zu zahlen, um das zu erreichen! Dem guten Ian serviere ich alles auf dem silbernen Tablett und was passiert? Er flieht vor mir! Ist er wirklich so dämlich?“
Sie schlug langsam mit einem zusammengelegten Fächer gegen die offene linke Hand. „Er hat doch nicht mal eine leise Ahnung von all den Dingen, die mit seinem Erbe einhergehen! Daher darf es ihm ja egal sein, wenn er darauf verzichtet. Er kann eh damit nichts anfangen. Und ich bezahle ihn ordentlich dafür, gebe eine Perspektive in seinem bis dahin wertlosen, lächerlichen Leben! Jeder andere würde vor lauter Dankbarkeit vor mir auf den Knien kriechen und meine Füße küssen! Und was macht er? Er kehrt in Alphiras Haus zurück.“
Ihr Mund verzog sich zu einem schiefen Lächeln. „Dieser Fetzen vom Grundstück existiert nur von meinen Gnaden. Und das nur, solange diese alte Angeberin noch nicht gestorben ist. Aber man muss nicht besonders schlau sein, um einzusehen, dass ihr Leben an einem sehr dünnen Faden hängt. Es ist eine Sache von wenigen Tagen.“ Sie schmunzelte zufrieden. „Und dann hat der Junge sehr schlechte Karten. Dann dürfte es ihm aufgehen, dass er die falsche Seite gewählt hat. Und um sich auf die wirklich wichtigen Dinge zu besinnen kann dann zu spät sein. Für ihn und für diese Anfängerin. Die muss ich mir noch vorknöpfen! Sie hat einen sehr schlechten Einfluss auf den Jungen.“
Die Herrscherin ließ ihren Blick über die verschlafen funkelnden Rubine und Diamanten in den Vitrinen streifen und fuhr fort: „Unglaublich, diese kleine Träumerin! Selbst voll im Mist sitzen und die anderen auch noch mit herunterziehen. Sie hat doch nicht mal einen leisen Schimmer, wie mies ihre Lage ist! Was kann sie schon gegen mich richten? Sie hat doch keine Ahnung! Von nichts! Wo will sie denn hin, wenn die ach so ehrenwerte letzte Großmagierin der Oberwelt in ein paar Tagen das Ewige segnet?“
Sie streifte mit dem Fächer die Wand, sofort wieder zu Granit wurde, und kehrte auf den Thron zurück. Nachdenklich in das rote Feuer der Fackeln an den Wänden blickend, machte sie den Fächer langsam auf und wieder zu. „Vielleicht ist der Junge doch nicht so dumm, wie er sich aufführt? Anfänger machen oft alle möglichen Fehler. Er kennt sich hier kaum aus. Vielleicht soll ich ihm doch eine Chance geben, bevor ich zu härteren Maßnahmen greife? Mal sehen.“
Kapitel 26. Die Schatten der Vergangenheit.
Ian sah lächelnd auf den schnarchenden Gögling, blickte in die Runde, atmete tief durch und fing an: „In der Nacht vor meinem zwölften Geburtstag, konnte ich nicht schlafen. Ich stellte mich vor das offene Fenster in meinem Zimmer und guckte in den klaren nächtlichen Himmel. Es war Vollmond. Er war so faszinierend, dass ich mich kaum von ihm abwenden konnte. Ich sah zu, wie er sich in dem dunklen Blau bewegte, und wunderte mich, wie schnell er lief. Kaum war er auf und schimmerte links von hinter den drei großen Tannen eine kleine grüne Wiese vor meinem Fenster entfernt, schon
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