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Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition)

Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition)

Titel: Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rina Bachmann
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verschwand er hinter deren Wipfeln. Kurz darauf kam er wieder raus. Seine obere rechte Seite zuerst, schwebte er immer höher und bald wurde er ganz frei. Er war einfach atemberaubend: so groß und wahnsinnig hell.
    Ich wollte seinen milchigen Schein direkt auf meiner Haut haben. Also machte ich das Fenster auf, setzte mich auf die Fensterbank und atmete tief die Luft der warmen Sommernacht ein. Sie roch etwas süßlich, würzig und frisch. Ich habe den Kopf in den Nacken gelegt und schaute in den Himmel. Unzählige Sterne blinzelten auf mich herunter. Sie erschienen mir so nah und doch so fern. Manche waren hell, wie der Mond selbst, so recht groß und wechselten langsam ihre Farben: Mal waren sie weiß, mal bläulich, dann schimmerten sie grün oder fast rot. Manche Sterne aber waren recht klein, die gab es aber in Unmengen und sie zwinkerten mir geheimnisvoll vom tiefblauen Himmel zu. Ich dachte, wenn ich nur Flügel hätte, könnte ich mich einfach von der Bank abstoßen und hoch hinaus fliegen. Dann würde ich da oben zwischen all den Sternen im Mondschein kreisen und meine Freiheit feiern.
    Ich weiß nicht, wie lange ich so saß und vor mich hin träumte. Plötzlich sah ich eine Gestalt im langen weißen Gewand, die sich vom dunklen Hintergrund der Tannen am Rand des Rasens abzeichnete. Mir wurde gleich anders. Kaum jemand kam nachts zu uns und auf keinen Fall von dort aus. Es war die Hinterseite des Hauses und für welche auch immer Besucher unzugänglich. Dort gab es keine Straße, nicht mal einen Pfad. Da war nur Wald mit dichtem Unterholz.
    Die Gestalt kam langsam näher und ich konnte erkennen, dass es eine Frau mit weißem, langen Haar war, das fast bis zum Boden reichte und leicht im Wind flatterte. Sie hatte etwas an sich, was mich sofort faszinierte: Sie strahlte. Ich dachte erst, es kam daher, dass ihr weißes Kleid das Mondlicht widerspiegelte. Aber das war es wohl kaum. Ein unaufdringliches, aber recht deutliches Licht ging von ihr selbst aus.
    Sie bewegte sich leicht, als wenn sie über dem Boden schwebte. Als sie näher kam, merkte ich, dass sie nicht mehr so jung war. Erst als sie vor mir etwa fünf Schritte entfernt stand, sah ich, dass ihr Gesicht, das Würde und Weisheit strahlte, von vielen feinen Fältchen überzogen war. Sie zeichneten sich deutlicher ab, als sie mir leicht zulächelte. Ihre Augen blieben aber ernst. Sie hatten etwas Trauriges an sich. Ihre Stimme war leise, ich konnte sie aber gut verstehen. Sie sagte, ich sollte morgen um Mitternacht ins Alte Haus kommen. ‚Du weiß schon welches ich meine, das Haus, in dessen Vorgarten du vor sechs Jahren von Barbara abgeholt wurdest‘, erklärte sie. Ich sollte ins Kaminzimmer gehen und meinen kleinen Drachen mithaben. ‚Ich werde dich morgen dort abholen. Die Oberwelt wartet auf dich‘, sagte sie, lächelte mir zum letzten Mal und ihre Gestalt löste sich im Mondschein auf.“
    Anna, die bis dahin wie gebannt zugehört hatte, flüsterte aufgeregt: „Das war Alphira! Eindeutig! Sie hat mir aber nie davon erzählt. Und? Bist du hingegangen? In der fraglichen Nacht?“
    Ian blickte konsterniert auf den Boden vor sich und bewegte langsam den Kopf von links nach rechts. Seine Locken fielen ihm ins Gesicht. „Nein“, sagte er leise.
    Sie schnappte nach Luft. „Wie? Du hast Oma versetzt? Das glaube ich einfach nicht! Und warum?“
    Er atmete tief aus und stammelte: „Nun, also …“
    „Ja, ich höre. Warst du etwa feige?“ Sie neigte den Kopf zur Seite, ihre Augen wurden zu schmalen Schlitzen.
    „Glaube ich nicht“, sagte er entschlossen und erwiderte mühelos ihren forschen Blick.
    Sie schritt auf ihn zu. „Warum denn dann?“
    „Ich wollte es nicht.“
    „Wie?“ Ihre Brauen zogen sich nach oben. „Warum denn wolltest du es nicht?“
    Ian atmete tief ein und aus, ließ die Haare nach hinten fallen und sagte schließlich: „Nun, man kann sagen, ich hatte kein Vertrauen.“
    „Du hast die Absichten der Großmagierin der Oberwelt angezweifelt? Unfassbar!“, rief Anna und blickte sich um, als wenn sie nach einem Halt suchte.
    „Ich wurde schon mal von einer Frau aufgesucht, die ebenfalls scheinbar aus dem Nichts kam und sich in der Luft sich auflöste. Sie wollte mich auch wohin mitnehmen. Ich weigerte mich und, wie es sich kurz darauf herausstellte, war es auch gut so.“
    Sie sah ihn überrascht an. „Mal was ganz Neues. Und wann war das? Wie sah die Frau aus?“
    „Oh, da war ich noch klein, es war kurz bevor ich in

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