Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition)
Scharta und Anna gleichzeitig.
„Ach, das war mal ein Freund von mir.“ Ian machte eine wegwerfende Bewegung mit der Hand. „Es ist schon etwas her“, fügte er hinzu und blickte zum Ausgang.
„War?“ Die Schlange neigte ihren Kopf tiefer, damit sie seine Augen deutlicher sehen konnte.
Er zog eine unentschlossene Miene: „Ich habe ihn länger nicht mehr gesehen. Ich weiß nicht, wo er steckt.“
„Wer war er? Was machte er? Wo hast du ihn kennengelernt? Wie sah er aus?“ Hagelte es an Fragen von beiden Seiten.
Ian blickte verdutzt, atmete tief durch und brachte schließlich: „Nun es war so ein älterer Herr, hager, groß, mit weißen Haaren und langem Bart, wie so ein Weihnachtsmann eben, nur ohne den roten Mantel und der albernen Mütze.“
„So eine Beschreibung würde auf etliche Männer passen.“ Scharta musterte ihn unverwandt.
„Ich bin nicht so stark in Beschreibungen“, sagte er und runzelte die Stirn. „Er hatte blaue Augen …“
„Toll!“, entwich es Anna. „Das hilft uns wahnsinnig weiter.“ Argwohn schwang in ihrer Stimme. „Hatte er etwas Besonderes an sich? So etwas wie eine gebrannte Hand, oder hinkte er oder etwas in der Art?“
Ian dachte nach, rief dann erleichtert: „Ja! Da war doch mal was! Er hatte einen langen Stock, aus dem hin und wieder frische grüne Blätter sprießen. Er machte manchmal gerne einen auf Zauberer. Er konnte wirklich so etwas.“
„Inwiefern?“
„Er konnte zum Beispiel die Sachen im Voraus sehen. Wie ich. Früher jedenfalls.“ Er blickte verlegen zu Boden, dann hob den Blick wieder und lächelte: „Deshalb war er mir auf Anhieb sympathisch. Wir trafen uns hin und wieder auf dem Markt.“
Eine plötzliche Stille breitete sich aus. Nur das bläuliche Feuer und seine tänzelnden Schatten auf der Wand brachten Bewegung in den Raum.
Ian guckte verdutzt von der Schlange zu Anna und zurück.
Die beiden, in Gedanken versunken, schienen weit weg.
Er wartete eine Weile, dann fragte: „Kennt ihr ihn etwa?“
Die junge Frau wandte sich zu ihm, sah ihn an, als ob er ein Fremder wäre, und sagte schließlich: „Das ist schwer zu sagen. Ich finde es stark, dass er hell sehen kann. Wenn er nicht ein begabter Menschensohn ist, muss er ein Oberweltler sein. Und wenn es so ist, dann frage ich mich, wer das sein sollte. Ich kenne sonst alle in der Oberwelt. Die älteren Magier auf jeden Fall. Von denen gibt es dort nicht mehr viele. Wer das aber sein soll und was macht er in der Menschenwelt, das wäre mal gut zu wissen.“
Ian blickte zu Scharta. „Kennst du ihn etwa?“
Sie sah ihn nachdenklich an. „Aus deiner Beschreibung kann ich keine konkreten Schlüsse ziehen“, sagte sie schließlich. „Ich habe eine leise Ahnung. Und wenn dem so ist ...“
„Was dann? Was seid ihr plötzlich so geheimnisvoll?“
„Erzähle doch lieber mehr über deinen Freund“, schlug Anna vor. „Dann könnten wir etwas Konkreteres sagen.“
Der junge Mann zuckte die Achseln. „Hm, ein Freund wie ein Freund. So ein witziger Kerl. Wenn er nicht wie ein alter Mann ausgesehen hätte, dann würde ich ihn für einen Kumpel von der Arbeit halten. Er war gar nicht spießig oder verbittert. Keine Erscheinungen von Lebensmüdigkeit oder dergleichen. Er war immer so gut drauf! Er hatte unzählige Fältchen um die Augen und den Mund. Sie wurden viel mehr und viel tiefer, wenn er lächelte oder gar lachte. Und das tat er oft. Er hatte ein schönes Lachen, so fröhlich, so unbeschwert. Es war schön, ihm dabei zuzuhören und sein strahlendes Gesicht zu sehen. Von seiner ganzen Gestalt kam ein helles Leuchten aus. Seine Freude war einfach ansteckend. Ich wunderte mich oft, wie er das schaffte.“
Anna und Scharta hörten ihm wie gebannt zu.
„Ich konnte mit ihm über alles reden“, fuhr er fort. „Über alles, was mir gerade wichtig war. Wenn ich ihm etwas aus meinem Leben erzählte, behandelte er es mit Respekt und Aufmerksamkeit und brachte ganz andere, ungewöhnliche Gedanken. Er war einfach cool.“
„Wo und wie habt ihr euch kennengelernt?“
„Ach, das war nichts Besonderes. Wie so oft bei solchen Anlässen …“
Die beiden fixierten ihn mit fragenden Blicken.
„Na gut, wenn es euch so interessiert …“ Er atmete tief durch und legte los. „Wir trafen uns auf dem Jahrmarkt im Herbst vor ein paar Jahren. Ich war mit meinem Kumpel dort. Es war kalt und nieselte leicht. Wir hatten ein paar Gläschen Glühwein getrunken und liefen weiter, bis mein Kumpel
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