Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition)
„Eure Majestät“, erklang sein angenehmer Bariton, seine grünen Augen blitzten auf.
„Was gibt es denn, Damian?“ Ihr kühler Blick streifte flüchtig sein ebenmäßiges, blasses Gesicht, die gerade Nase und das Kinn mit einem tiefen Grübchen.
„Alles ist für die Zeremonie vorbereitet“, verkündete er stolz. „Es kann morgen früh losgehen.“
„Schön.“ Es fiel wie ein Eiszapfen auf den Boden. Sie sah in das schnalzende Feuer der Fackeln, als ob sie dort eine lang ersehnte Antwort auf eine wichtige Frage abzulesen suchte.
„Alle haben die entsprechenden Instruktionen erhalten. Keiner arbeitet morgen. Steinbruch, Bau, Mienen und so weiter, alles steht still. Die Sklaven, Diener und die Untoten, die nicht außer Grenzen des Reiches zu tun haben, sind ab morgen früh auf dem Platz, um das große Ereignis bejubeln zu dürfen.“
Die Herrscherin schwieg gedankenversunken.
„Eure Majestät?“ Er sah sie besorgt an.
„Ja Damian. Ich habe dich gehört“, sagte sie irritiert.
„Kann ich etwas für Sie tun?“ Seine Augen leuchteten auf, als er sie ansah.
„Nein.“
Der Mann verbeugte sich erneut. „Dann ...“
„Hör mir gut zu.“ Die Herrscherin richtete ihren finsteren Blick auf sein makelloses Gesicht. „Morgen sollen alle arbeiten. Wie üblich. Es ist mir zu teuer, wenn sie tatenlos auf dem Platz herumstehen. Ich verlege die Zeremonie bis auf Weiteres.“
„Wie die Majestät wünscht.“
„Ich werde dir später Bescheid geben, wenn es soweit ist.“
„Jawohl.“ Er verbeugte sich wieder und schickte sich an zu gehen.
„Und wenn alle Stricke reißen“, ihre Worte klangen wie eine Drohung, die schwarzen Brauen zogen sich zusammen, „dann stehst du mir zur Verfügung als Schwarzer Prinz.“
„Mit Vergnügen, Eure Majestät.“ Ein erfreutes Lächeln huschte über seine Lippen.
Die Herrscherin richtete einen Blick auf ihn, der imstande war, ihn zu entzweien. „Bilde dir bloß nicht allzu viel drauf ein! Du wirst nie die Bedeutung eines letzten Drachen erreichen! Du bist und bleibst bloß eine billige Kopie, nur ein daher gelaufener Dämon.“
„Wie ihr meint.“ Er schaute auf den spiegelglatten Granitboden. Sein blasses Gesicht trübte sich.
„Und was stehst du hier noch rum? Sag diesen Schmarotzern, sie dürfen morgen arbeiten! Du selbst hältst dich zu meiner Verfügung. Vielleicht kann ich dich noch zu etwas gebrauchen.“
Damian beugte sich zum letzten Mal vor, ließ einen aufmerksamen Blick über ihr finsteres Gesicht streifen und verließ rasch den Saal.
„Tja, wenn ich bloß dieses dämliche Gesetz aushebeln könnte“, seufzte die Herrscherin. „Er soll ja freiwillig auf sein Erbe verzichten. Was für ein Unsinn!“ Sie öffnete den Fächer und schlug wieder zu. „Mal sehen, wer zuletzt lacht …“
Kapitel 28. Das schwierige Gespräch.
Anna ging zum Aufsteller mit dem Buch des Wissens, strich über seinen rissigen ledernen Einband, lehnte sich mit dem Rücken gegen das schwere gusseiserne Gestell, sah den jungen Mann eindringlich an und sagte: „Nun, jetzt hast du ein Bild von der heutigen Situation der Anderen Welt. Du weißt, warum das so ist, wie es ist. Jetzt ist es an der Zeit, von dir zu hören, was du damit anzufangen gedenkst. Willst du der Grausamen dienen, den Schwarzen Prinzen spielen und ihr Reichtum vermehren? Oder du sagst, es ist alles Unsinn und Märchenkram. Du willst damit nichts zu tun haben und gehst in die Menschenwelt zurück. Oder du kannst dir vorstellen, mir zu helfen, die Oberwelt wieder auf die Beine zu bekommen?“
Ian setzte den Gögling von seiner Schulter ab, nahm ihn vorsichtig auf den Arm, kam auf die Beine und sagte gelassen: „Ich kann es dir jetzt nicht sagen. Ich muss nachdenken.“
„Worüber willst du nachdenken? Vor allem, wie lange?“ Ihr Blick bohrte sich in sein müdes Gesicht, die Stimme klang eisig. „Ich bin der Meinung, klarer kann es gar nicht sein!“
„Nicht mir.“ Er bewegte langsam den Kopf von links nach rechts und zurück. „Ich brauche mehr Zeit“, setzte er entschieden hinzu.
Annas Wangen liefen rot an, ihre Fäuste ballten sich fest. „Du hast bereits das Wesentliche, also was du für deine Entscheidung brauchst, gesehen und gehört. Was erwartest du noch? Jeden Tag geht es der Oberwelt schlechter. Das Gleiche gilt für Alphira. Ich fürchte, sie stirbt. Und das früher, als man glaubt! Bloß der gnädige Herr wäre noch nicht so weit, er will noch länger nachdenken!“ Ihre Stimme
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