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Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition)

Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition)

Titel: Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rina Bachmann
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Fensterbank war niedrig, so dass er auf das glatt geschliffene Brett ohne viel Mühe klettern konnte. Es war so breit, dass zwei Kinder seiner Größe nebeneinander dort passen würden. Er setzte sich hin und blickte hinaus. Vor ihm lag eine nicht allzu große, grüne Rasenfläche, die von alten, hohen Kiefern und kleineren jungen Tannen dazwischen umrahmt war. „Schön“, entwich es ihm.
    „Na wunderbar“, raunte die Alte. „Ein Bett lasse ich dir die Tage einrichten. Es ist noch nicht fertig. Bis dahin musst du auf dem Boden schlafen. Aber es ist warm genug hier im Sommer.“ Sie ließ die Tür hinter sich zufallen und ließ ihn allein.
    Der Mond schien ins Fenster und ließ seinen milchigen Schein auf die breiten Bodendielen fallen. Der Junge saß da und beobachtete, wie die feinen Staubkörnchen durch die Luft wirbelten. Er musste schniefen. Schließlich stieg er von der Fensterbank und rannte in die Küche, wo die Alte hinter ihrem Herd stand und im dampfenden Topf rührte.
    „Weißt du, wo meine Oma ist?“, fragte er und blickte sie hoffnungsvoll an.
    „Nein“, erwiderte sie entschieden. „Aber wie es aussieht, wird es ihr wohl nicht besonders prächtig gehen“, fügte sie hinzu, ihre Stimme rau. Sie zündete sich eine Zigarette an und inhalierte tief.
    „Und alle anderen?“
    „Die werden wohl das Schicksal deiner Oma geteilt haben“, antwortete sie, ohne mit der Wimper zu zucken und blies eine graue Wolke aus. Mit der freien Hand stellte sie einen leeren Topf auf den Herd.
    Der Junge blinzelte ein paar Mal, schnappte nach Luft und fragte: „Und wo ist mein kleiner Drache?“
    „Was ist das denn?“ Sie blickte verdutzt auf ihn herunter.
    „Na mein Drache eben! So eine Figur mit der ich spiele. Ohne gehe ich nicht ins Bett!“ Seine Stimme glitt in die Höhe.
    „Keine Ahnung, was du meinst.“ Sie wandte sich von ihm weg und suchte etwas auf den Regalen hinter ihr.
    „Aber meine Oma hat ihn mir in die Hand gedrückt und gesagt, ich darf ihn nicht verlieren und ich habe ihn festgehalten!“ Seine Stimme bebte. Die ersten Tränen schossen aus seinen Augenwinkeln und kullerten über die Wangen.
    „Genug gequatscht! Ab in dein Zimmer!“, schrie die Alte plötzlich, ihre Hand mit dem ausgestreckten knorrigen Zeigefinger auf die schmale schiefe Tür gerichtet.
    „Ich gehe aber ohne meinen Drachen nicht ins Bett“, schluchzte der Junge.
    „Was für ein Glück, du hast ja gar kein Bett!“, schrie sie noch lauter. „Du schläfst auf dem Boden, schon vergessen?“
    Er sah sie mit weit aufgerissenen Augen voller Entsetzen an, schnappte nach Luft und heulte los. Er hielt die Augen mit den Händen zu, aber die Tränen ließen sich nicht zurückhalten. Sie sickerten durch seine zusammengepressten Finger, tropften auf die Holzdielen und hinterließen helle Flecken auf der dünnen Schicht Schmutz, die sie hier und dort in einem wirren Muster bedeckte. Seine schmalen Schultern bebten.
    „Ab in dein Zimmer, habe ich gesagt!“, befahl die Alte, den Zeigefinger auf die schiefe Tür gerichtet. „Ich habe keine Zeit, mir deine Launen anzugucken!“
    Der Junge schluchzte noch lauter auf, stampfte mit dem Fuß auf und heulte: „Mein Dra-a-ache!“
    Sie schnappte ihn am Kragen, schleifte einige Meter über den Boden, schob ihn in sein Zimmer und knallte die Tür zu.
    Nach einer Weile beruhigte er sich, trottete müde zum Fenster, kletterte auf die breite Fensterbank, zog die Knie zur Brust und sah in die helle Nacht hinaus. Der Mond hing knapp über den Tannenwipfeln und schaute ihm direkt ins Gesicht. Die Tannenzweige bewegten sich im Wind und der Abendtau glitzerte in winzigen Tropfen im hohen Gras. Alles schien ihn zu fragen: „Und was nun?“
    Die Tür ging quietschend auf und die Alte stürmte herein. Sie stampfte zum Jungen hin und stellte einen verbeulten, dampfenden Aluminiumbecher vor seinen Füßen. „Das ist Kräutertee mit Honig“, sagte sie mit versöhnlicher Stimme. „Du sollst ihn austrinken. Dir geht es dann besser.“
    Er blickte sie überrascht an.
    „Trinken, nicht gucken“, brummte sie und lief zur Tür zurück.
    Er roch an dem Dampf und nahm einen vorsichtigen Schluck. „Wie heißt du?“, fragte er plötzlich.
    „Die Wirkung kommt schneller als gedacht“, murmelte sie leise vor sich, dann drehte sich an der Schwelle um. „Hauptsache, du weißt noch, wie du selbst heißt“, erwiderte sie zu ihm lauter. „Nach all dem …“ Sie schüttelte den Kopf.
    „Ich heiße Ian“,

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