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Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition)

Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition)

Titel: Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rina Bachmann
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Haut aufrieb, desto schlimmer wurde der Juckreiz. Die ersten Bluttropfen traten aus.
    „Höre sofort damit auf!“, befahl eine raue Stimme von oben.
    Er blickte hoch und sah eine große, hagere Frau mit grobem Gesicht. Ihre Nase stach deutlich hervor: Sie machte einen Bogen und die Spitze hing herunter bis auf die Oberlippe. Diese war mit vielen dicken Härchen übersät. Noch mehr davon gab es auf ihrem schmalen, hervorstehenden Kinn.
    Der Mund des Jungen öffnete sich und er vergaß vor lauter Schrecken, dass er sich weiter kratzen wollte.
    Die Frau streckte ihm ihre große Hand entgegen. „Komm mit. Ich habe etwas gegen Juckreiz. Und deine Wunden müssen auch versorgt werden.“
    Der Junge griff nach einem kurzen Zögern ihre Finger und sie zog ihn mit einem kräftigen Ruck hoch. Noch etwas wackelig auf den Füßen, blickte er auf sich herunter. Die Hose war schwarz vor Ruß und Schlamm. Am rechten Bein war sie nass und schwer. Seine Jacke, vom Kragen abwärts mit klebriger Flüssigkeit überströmt, fühlte sich kalt an und roch so merkwürdig. „Ich bin es aber nicht“, stammelte er mit bebender Stimme und blinzelte zu der großen Frau hoch. „Ich musste mich nur kratzen.“
    Sie blickte streng auf ihn herab. „Um so besser!“, verkündete sie mürrisch. „Dann gibt es weniger mit dir zu tun.“ Sie drehte sich um und lief los. Dabei schleifte sie ihn über die Brennnesseln, Disteln und Gestrüpp, bis sie auf die Straße kamen.
    „Warte! Ich kann gehen! Ich kann nur nicht so schnell“, rief der Junge. Heiße Tränen schossen ihm in die Augen.
    „Ich habe keine Zeit“, warf sie zu ihm über die Schulter und lief in ihrem zügigen Tempo weiter. „Meine neue Mixtur muss sofort weiter verarbeitet werden, sonst kann man sie wegschmeißen.“
    Er rannte ihr aus letzter Kraft hinterher, um nicht hinzufallen. Die Hose und die Jacke waren schwer, im rechten Schuh gluckste es. Der Weg schien endlos. Er wagte aber nicht, etwas zu sagen oder gar zu quengeln. Schließlich erreichten sie ein Häuschen aus dicken, runden Holzstämmen am Rand des Waldes, der sich bedrohlich dahinter im Wind wiegte.
    „So, das ist meine Hütte“, sagte die Frau erleichtert, ließ seine Hand aus ihrem festen Griff und riss die Tür auf. Ein ausgedehntes Quietschen durchschnitt die nächtliche Ruhe. Anfangend mit hohen, quiekenden Tönen, wurde es immer tiefer und verstummte, sobald der Junge über die Schwelle trat und die Tür hinter seinem Rücken mit einem stumpfen Schlag zuschnappte.
    Er stand in einem kleinen, dunklen Raum. Ein alter, rechteckiger Tisch aus dunklem Eichenholz mit zwei Stühlen darunter stand vor dem einzigen kleinen Fenster zu der Linken, drei Schritte vom Eingang entfernt. In der hinteren Ecke an der Wand rechts thronte ein großer, aus roten Ziegelsteinen gelegter Ofen. Obenauf lagen breite, gusseiserne Platten. Sie schimmerten rötlich und breiteten trockene Wärme aus. Aus dem Topf auf der vorderen Ecke entwichen dichte Dampfschwaden, die zu der niedrigen Decke hochstiegen. Es roch nach Kräutern und altem Zigarettenrauch. Der Junge schnappte nach Luft und betrachtete die Küche mit aufgerissenen Augen.
    „So, jetzt zeige ich dir dein Zimmer“, hörte er die Alte krächzten, die eine schmale, samt des Türrahmens nach rechts schiefe Tür aufzog. Sie ging mit einem ebenso langen, penetranten Quietschen wie die Eingangstür auf. Er spürte, er wurde in einen engen Raum geschoben und riss sich aus der Starre. An der Wand links lag etwas, das wie eine improvisierte dünne Matratze mit einer alten Decke darauf aussah. Hier war es deutlich kühler und es roch nach Staub.
    „Es war mal meine Vorratskammer. Sie war ja so praktisch, groß genug für alles, aber …“ Die Alte seufzte und fuhr im sarkastischen Ton fort: „Der Prinz braucht sein eigenes Zimmer, hieß es. Und ich lasse mir nicht nachsagen, dass ich diese unsinnige Forderung nicht erfüllt hätte.“ Sie blickte auf das Kind streng herab, das sich mit Schrecken im Gesicht im dunklen kalten Zimmer umsah. „Zur Feier des Tages ließ ich die Wand von der Glasfront da hinten entfernen“, setzte sie hinzu. „So etwas konnte meine Kammer hier nicht gebrauchen. Aber seine Hochwohlgeborenheit sollte ja auch ein Fenster in seiner Unterkunft haben.“
    Der Junge folgte ihrem Blick, strengte die Augen an und sah zum ersten Mal, wovon sie sprach. Eine Glasfläche nahm fast zwei Drittel von der hinteren Wand gegenüber der Tür ein. Er stapfte dorthin. Die

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