Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition)
wird gut, noch besser als ich es mir je erträumt hatte. Ich bin fest davon überzeugt. Ich weiß es einfach. Ich schaffe es. Und sie versteckte den Stein wieder in ihrem BH.
Die schwere Tür ging quietschend auf. Anna schreckte aus ihren Gedanken auf. Ein grauschwarzer Krake, so groß wie sie selbst und dreimal so breit, mit einem großen, trüben Auge in der Mitte des vermeintlichen Kopfes erschien im Türrahmen. Er glitt mühelos über die Steine und hinterließ eine dicke, schleimige Spur. Seine Tentakel streckten sich nach der jungen Frau und nahmen sie voll in Griff. Die klebrigen Berührungen an ihrer Haut weckten in ihr Wellen von unbändigem Ekel.
Er schien ihr Schaudern und Zucken nicht wahrzunehmen. Mit geübten Bewegungen nahm er ihr all ihre Ringe, drei Amulette, den Gürtel, der reich mit den Kraftsteinen besetzt war, und schließlich die Schuhe ab. Dann verschwand er hinter der eisernen Tür.
Anna sah fassungslos zu, wie die Schlösser sich quietschend und klackend einrasteten. Sie war wieder allein. Toll, endlich Ruhe . Sie machte sich daran, ihre Gedanken abzuschirmen und stellte sich eine dicke, undurchdringliche Bleikuppel vor, die all das, was sie dachte und fühlte, unter sich behielt. Mal gut, das dieses Monstrum mir den Stein vom Vater gelassen hatte . Es hatte ihn gar nicht aufgespürt. Schon merkwürdig. Alles, was mit dem blauen Feuer aufgeladen war, hatte es mitgenommen, aber nicht den Stein, als ob er gar nicht existierte! Gut so . Sie atmete erleichtert aus. Er ist zwar kein Kraftstein im üblichen Sinne, aber seine Wärme, seinen Beistand möchte ich an diesem fürchterlichen Ort nicht missen. Sie steckte ihn in den Mund. Ich muss ja nichts sagen. So bleibt er bei mir, wenn es noch dämlicher laufen sollte.
Die Tür schlug wieder auf und der eklige Krake glitt wieder in die Zelle. Er hielt etwas in den Tentakeln, das wie ein Stück altes Fischernetz aussah und zeigte auf ihr Kleid. „Her damit!“, ertönte es in ihrem Kopf.
Die junge Frau zog das Kleid aus und gab es ihm.
„Alles!“ Er musterte sie eingehend mit seinem trüben Auge.
„Was? Soll ich jetzt nackt hier sitzen?“
„Du kannst das hier anziehen.“ Er schmiss die mitgebrachten Fetzen nach ihr.
Sie fing sie auf. Es war ein grobmaschiges rechteckiges Netz, das oben links und rechts und an den Seiten der Länge nach behelfsmäßig zusammen geflochten war. Sie zog es über. Es bedeckte recht sparsam ihren Körper. Das nasse Garn roch faulig und kratzte an der Haut. Ein Schauder lief ihr über den Rücken.
Der Krake sammelte ihre Kleidung auf und verschwand.
Die Jungmagierin starrte fassungslos auf die Tür, an der das letzte Schloss einrastete. Was kommt als nächstes? Da bin ich aber gespannt. Sie machte die Augen zu und atmete tief die kühle Luft ein und aus. Seltsam, ich müsste mehr frieren . Mir ist aber warm genug, als ob ich mein Gewand noch anhätte. Irgendetwas ist hier merkwürdig. Sie schob den Stein von der linken zur rechten Wange. Kann sein, dass der etwas damit zu tun hat? Sie legte ihn auf ihre Handfläche und musterte ihn aufmerksam . Er ist noch dunkler, in der Mitte fast schwarz! Und jetzt? Heißt es, dass es mir ganz bescheiden geht? Mal gut, dass mein Vater ihn nicht sehen kann. Es ist mir lieber, dass er von meiner tollen Lage nichts weiß.
Der Stein flackerte auf und wurde noch dunkler.
Ich fürchte, ich kann nichts dagegen tun, mein Lieber. Ich habe nicht genug Kraft, hier wegzukommen. Jemand, der genug davon hat, saugt mir meine letzte Lebensenergie weg. Bald bin ich so schwach, dass ich nicht mal stehen kann. Sie atmete tief durch und schloss die Augen. Ich schaffe es. Es wird alles gut. Den Ort, wo Träume wahr werden, wird es wieder geben. Die Oberwelt wird wieder aufblühen. So wird es sein. Und nichts kann mich vom Gegenteil überzeugen. Sie legte den Stein wieder in den Mund, setzte sich auf den Boden, lehnte sich gegen die nasse Wand und versuchte sich abzuschalten. Bloß an nichts denken. Sie merkte nicht, wie sie in einen tiefen Schlaf fiel.
Als sie die Augen öffnete, sah sie einen weitläufigen Platz vor sich. Dünner Nebel hing in der Luft und roch nach Verwesung und Schwefel. Sie konnte alles gut erkennen, was vor ihr abspielte. Dutzende von riesigen Weinfässern erhoben sich etwa fünfzehn Schritte weiter rechts. Noch ein Stück weiter, wie hinter einer unsichtbaren Linie wiegte sich ungeduldig eine schwarze Masse. Anna strengte die Augen an und sah genauer hin. Die
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