Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition)
dich entschieden. Dann bleibst du hier für immer. Mit allen daraus folgenden Konsequenzen.“
Der junge Mann sah verlegen auf die Füße und brummte schließlich: „Ich kann nicht.“
„Warum? Was hast du denn noch?“
„Ich kann jetzt nicht einfach verschwinden, habe Unannehmlichkeiten bei der Arbeit. Wenn ich morgen da nicht erscheine, wird es einem Zugeständnis gleich gesetzt. Als wenn ich es war, der die Ware geklaut und sich dann vom Acker gemacht hatte.“
Sie unterdrückte ein Grinsen, machte aber sogleich ernstes Gesicht. „Verstehe. Das ist unangenehm. Aber lass es meine Sorge sein.“
„Wie das?“ Er blickte zu ihr auf. „Was hast du damit zu tun?“
„Nichts. Die Sache wird sich aber klären. Garantiert.“
Ian schüttelte energisch den Kopf. „Das kann ich mir nicht vorstellen. Wie soll es sich denn klären, wenn die Paletten nicht da sind?“
„Nicht so wichtig“, winkte sie ab.
„Das kann ich nicht so hinnehmen. Ich gehe nicht weg, eher es aufgeklärt ist.“
„Sie stehen in der hintersten Ecke im Lager, bei der großen Kiste mit Müll. Dort hat noch keiner nachgesehen“, verkündete Anna.
„Das wäre ja toll!“
„Sie sind dort.“
„Ich muss sicher sein.“
„Lasse es prüfen.“
„Ich rufe Eddie an. Er hat jetzt Schicht. Er soll da mal nachsehen.“
„Tue das. Und dann müssen wir los.“
Solange Ian telefonierte, ließ Anna den Blick über die Wiese zum Horizont schweifen. Die Kuppe des höchsten Berges verschwand unter einer ausladenden dunklen Wolke, die sich schnell ausweitete, nach unten kroch und nun auch die umliegenden Hügel bis zum Fuß zu verschlingen drohte.
Ian legte auf und blickte sie erstaunt an. „Eddie hat bestätigt, dass die Paletten da stehen, dort, wo du gesagt hast, in der hintersten Ecke im Lager. Wie kommen sie bloß dorthin und warum?“
Sie wandte sich zu ihm. „Das tut nichts zur Sache“, winkte sie ab. „Die Sache wäre dann erledigt. Wir müssen los.“
Der junge Mann schüttelte kräftig den Kopf. Seine Locken fielen ihm in die Augen. Er nahm sie zusammen, band sie am Nacken fest und sagte wieder: „Kann ich nicht.“
„Warum nicht?“
„Muss etwas tun.“
„Was gibt es denn wieder so Wichtiges?“ Ihre Stimme verriet Ungeduld.
Ian blickte verlegen auf seine nassen Hosenbeine. „Muss die Gänse suchen.“
„Na das ist ja eine ganz tolle Ausrede!“
„Es ist keine Ausrede, ich muss echt die Gänse suchen. Sie sind heute spurlos von der Wiese verschwunden.“
„Da wüsste ich was“, lächelte die Jungmagierin zuversichtlich. „Wie viele brauchst du? Zwei?“
„J-ja“, stammelte er und blickte sie überrascht an. „Woher weißt du das?“
„Also lass uns es so abmachen: Wenn du gleich zwei Gänse vor dir hast, kommst du mit.“ Ihre Stimme klang ernst. „Und keine weiteren Ausreden mehr“, fügte sie hinzu und streckte ihm ihre offene Hand entgegen. „Abgemacht?“
Er zog eine misstrauische Miene und musterte sie eindringlich. Irgendetwas in diesem leicht unebenen Gesicht, in dem die rechte Hälfte so geformt war, als ob das Mädchen leicht lächelte und die Linke so, als ob es ernst blieb, ein Hauch von etwas in diesen Augen, wofür er kein passendes Wort fand, machte ihn stutzig und neugierig zugleich. Er schaute konsterniert auf ihre offene Hand. „Also gut“, sagte er schließlich. „Wenn die Gänse haargenau so sind, wie die, die heute verschwunden ... “
„Stelle sie dir vor“, unterbrach sie ihn ungeduldig. „Genau so, wie sie waren.“
Er tat wie geheißen.
„Irgendwo hier habe ich ein paar Mäuse gesehen.“ Die Jungmagierin nahm einen dünnen Stock und stocherte damit im Gras um sich herum. Plötzlich liefen zwei kleine, graue Feldmäuse ihr vor die Füße und piepten dabei aufgeregt. Wie von einer unsichtbaren Hand auf einer Stelle gehalten, wurden sie auf einmal still. Anna schloss die Augen, atmete durch und richtete die gestreckte rechte Hand auf die Tiere aus. Aus ihrem Zeigefinger blitzte ein leuchtender Faden auf und traf sogleich die Mäuse.
Eine graue Rauchwolke stieg hoch, der Geruch nach verbranntem Fell verbreitete sich in der Luft. Im nächsten Moment standen zwei Gänse dort, wo die Mäuse sich gerade noch ergeben duckten. Die Vögel waren genauso wie die, die er vermisste. Die Gans war weiß, groß und zappelig und der Gänserich grau, klein und still.
„Die sind doch gut geworden“, sagte Anna und lächelte dabei zufrieden.
Die weiße Gans gackerte und schlug
Weitere Kostenlose Bücher