Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition)
mit den Flügeln. Der Gänserich legte seinen Kopf schräg und musterte den jungen Mann aufmerksam, der seinen verdutzten Blick von den Gänsen zu Anna und zurück wechselte.
„Na, was ist?“ Sie sah ihn forsch an. „Ich habe meinen Teil der Abmachung gehalten.“
Ian blickte bei ihr in die Ferne vorbei. Eine dunkle Gewitterwolke hing tief und verdeckte die Berge vollständig.
Benommenes Schweigen breitete sich aus.
„Wir müssen los.“
Er sah wieder vor seine Füße. Die Gänse waren immer noch da und guckten ihn fragend an. „Also ...“, seine Stimme versagte. Er räusperte sich. „Sie sind aber nicht die, die ich suchen müsste.“
„Sie sehen aber genau so aus. Und darum ging es in unserer Abmachung“, erwiderte Anna leiser aber bestimmt.
„Ich muss sie aber noch zur Alten bringen.“
„Die finden schon selbst ihren Weg. Wir müssen los.“ Sie blickte über die Wiese zu der alten Eiche.
„Du hast mir gar nicht gesagt, wohin du mich mitnehmen willst.“
„Das wirst du schon selbst sehen. So geht es am Einfachsten.“
„Die Bezeichnung ist mir zu ungenau.“
Anna rollte die Augen zum immer dunkler werdenden Himmel, seufzte und sagte: „Gut, wenn es dir weiter hilft. Es ist die so genannte Andere Welt. Und es geht um dich. Voll und ganz. Um dein Leben und das vieler anderen. Sonst würde ich meine Zeit hier nicht vergeuden. Komm jetzt einfach mit. Du wirst es schon sehen.“
„Eine andere Welt kenne ich nicht.“ Eine gehörige Portion Skepsis schwankte in seiner Stimme.
„Dann wird es Zeit, sie kennenzulernen“, erwiderte sie und lächelte entwaffnend. „Du kommst mit. Und zwar jetzt!“ Damit drehte sie sich um und marschierte über das nasse Gras.
„Aber die Alte! Und die Gänse!“, rief Ian ihr hinterher und sah zurück zum Häuschen, das ihn mit dem Licht im kleinen Fenster einladend anblinzelte.
„Keine Sorge, sie geben ihr Bescheid, was Sache ist“, warf Anna über die Schulter.
Er holte sie ein, stellte sich vor ihr und sah ihr direkt in die Augen. „Warum willst du mich mithaben? Jetzt ehrlich?“
Sie blickte ihn entnervt an und sagte in einer honigsüßen Stimme: „Ich weiß, dass dein Leben hier dich ankotzt. Es war ja auch kaum zu übersehen.“ Sie grinste aufgesetzt. „Und ich weiß, dass etwas auf dich wartet, das nur du erledigen kannst. Komm mit, höre dir das an und stelle mir jetzt keine weiteren dämlichen Fragen.“
„Mehr nicht?“, murmelte er enttäuscht.
„Das reicht erst mal aus“, verkündete sie und lief weiter.
Er seufzte resigniert und folgte ihr.
Bei der alten Eiche angelangt, zeigte Anna mit dem Blick auf den Flugeimer. „Steig ein!“
Ian guckte sie entrüstet an. „Bist du damit hergekommen?“
„Ja“, nickte sie und nahm den Besen in die Hand. „Und jetzt möchte ich mit dir damit auch wegfliegen. Steig ein.“
„Das glaube ich jetzt nicht!“, lachte er auf. „Das gibt es nur in Märchen. Entweder bist du bescheuert oder du willst mich veräppeln.“
„Weder noch“, erwiderte sie ohne jede Regung. „Niemand will dich veräppeln. Ich habe es dir bereits erklärt, dass es mir damit verdammt ernst ist. Steig ein, wir müssen los.“
„Was soll ich mit diesem Eimer? Ist hier irgendwo eine versteckte Kamera?“ Er blickte suchend um sich.
Anna rollte die Augen. „Steig ein und ich zeige dir, dass dieser Eimer ganz gut fliegen kann. Fast wie ein Flugzeug.“
„Es ist also kein Scherz?“, fragte er verdutzt.
„Bestimmt nicht“, versicherte sie. „Ich bin nicht zu Scherzen aufgelegt, ich will einfach los. Und zwar jetzt. Rein mit dir!“
„Na gut. Aber nur weil du es bist“, schmunzelte er.
„In Ordnung“, nickte sie und atmete erleichtert aus. „Das werde ich nie vergessen.“ Sie wartete, bis er im Flugeimer stand, und sprang selbst hinein. sie nahm den Besen und rief: „Los, meine Schnelle!“
Die Stupa brummte, fing an zu vibrieren, löste sich vom Boden.
Die Jungmagierin stieß mit dem Besen kräftig von der Erde ab und der Flugeimer schoss in die Höhe.
Bald sah die Wiese wie ein dunkles Fleckchen aus, das unter den beiden friedlich dalag. Das Haus der Alten am Rand vom Wald ähnelte einer Streichholzschachtel. Die Siedlung dahinter erschien so klein und niedlich mit all den Lichtern, als ob sie eine Ansammlung von Puppenhäuschen mit einigen Straßen dazwischen wäre.
Anna fegte energisch mit dem Besen von beiden Seiten des fliegenden Eimers. „Auf geht es!“, rief sie. „Beeil dich meine
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