Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition)
Amulett ab. Auch so ein Teil, wie du trägst. Er war aber achtzackig und da war auch so ein Stein in der Mitte. Er wechselte die Farben wie deiner, war aber größer, seine Farben tiefer. Als die kleine Frau das Ding in den Händen hatte, flackerte er auf und wurde gleich schwarz. Es schien sie zu amüsieren. Sie hatte so ein lautes, hallendes Lachen drauf. Man könnte meinen, es käme von einem Mann.“
Anna hörte mit dem angehaltenen Atem zu, sagte dann gedankenversunken: „Das erklärt schon einiges. Sie hat Alphira also ihr Lieblingsamulett abgenommen. Deshalb habe ich es bei ihr schon länger nicht mehr gesehen.“ Sie blickte traurig vor sich. „Und wie ging es weiter?“
Ian schüttelte den Kopf, seine Locken fielen ihm ins Gesicht. „Gar nicht. Sie war dann verschwunden, hat sich wie in der Luft aufgelöst. Alphira stolperte rücklings in den Sessel, fiel hinein und das war es. Es war dann alles weg.“
Die junge Frau stand auf und fing an, im Raum hin und her zu laufen. „Verstehe ich nicht“, dachte sie laut nach. „Wie kann es sein, dass du das alles siehst und hörst und ich absolut keinen Schimmer davon bekomme, was hier los ist?“
Ian ging zum Tisch und setzte sich auf seinen Stuhl, die Beine nach vorne gestreckt. „Ich habe es mir nicht bestellt. Ich wollte eigentlich nur schlafen. Da kam es einfach.“
„Einfach so?“
„Ja, halt wie früher. Damals gab es öfter.“
„Und dann nicht mehr?“
Er zuckte die Schulter. „Dann habe ich es mir abgewöhnt“, sagte er und sah ihr nach, wie sie zu den Bücherregalen lief, sich dort umdrehte und wieder ihm entgegen marschierte.
„Du hast was??“ Sie stellte sich abrupt vor ihm.
„Ich habe es, wie soll ich sagen … verdrängt“, lächelte er verlegen. „Habe zugesehen, dass ich es alles nicht mehr sehe und höre, habe es als Unsinn abgetan, wenn es doch mal geschah.“
Anna schnappte nach Luft. „Abgewöhnt also.“
„Ja.“ Er guckte sie unschuldig an. „Die Alte predigte, es wäre besser so.“
„Verstehe. Hast du Alphira auch früher so … gesehen?“ Sie deutete Gänsefüßchen in der Luft mit ihren langen schmalen Fingern an.
„Ich weiß es nicht mehr so genau. Ich habe es, wie gesagt, verdrängt.“
„Du kannst dich bestimmt daran erinnern. Denk nach. Was war? Ich muss es wissen.“
Ian guckte verdutzt: „Wozu? Es ist doch Schnee von gestern.“
„Finde ich nicht“, schüttelte sie den Kopf. „Ich muss es wissen.“ Sie bohrte ihn mit einem ernsten Blick.
„Nun gut“, gab er nach, runzelte die Stirn und schwieg eine Weile. „Da war aber auch nicht viel“, sagte er schließlich. „Es ist schon lange her. Da war ich noch klein.“
Sie beugte sich zu ihm vor. „Was hast du gesehen? Erzähl es mir in allen Einzelheiten“, verlangte sie mit Betonung auf jedem Wort. „So etwas vergisst man nicht.“
Er sah sie perplex an. Sein Stuhl stand auf zwei Beinen der Rückenlehne und drohte jede Sekunde umzukippen.
„Erzähl!“
„Ich glaube, ich habe mal eine ähnliche Situation gesehen“, sagte er leise.
Anna richtete sich wieder auf, legte die Arme vor die Brust und fixierte ihn mit einem fragenden Blick.
Er stellte seinen Stuhl wieder fest auf den Boden, streckte die Beine aus und sagte: „Wie das letzte Mal stritten die beiden.“
„Und worum ging es?“
Er hob die Schultern und zog eine unentschlossene Miene, seine Mundwinkel schoben sich nach unten. „Das weiß ich nicht so genau. Aber ich kann mich noch gut an die Stimmung erinnern. Sie war kalt. So kalt, dass ich den Eindruck hatte, ich würde dabei erfrieren.“
„Und weiter?“
„Die kleine Frau in Schwarz beschuldigte die ältere Frau in Weiß oder forderte etwas von ihr. Die Kleine war wieder die Angreiferin. Und etwas, so eine Atmosphäre von …“, er blickte suchend um sich, „ich weiß jetzt nicht das richtige Wort dafür, umgab sie. Jedenfalls, etwas Abscheuliches ging von ihr aus“, brachte er schließlich. „Die Frau in Weiß stand gerade vor ihr und sah sie gelassen an. So eine Weisheit und Würde strahlte sie aus. Sie sah viel jünger aus als jetzt. Eine richtige Schönheit. Wie eine gute Fee aus dem Märchen.“
Anna lächelte, blickte zur Tür, die zu Alphiras Zimmer führte. Wärme und Stolz spiegelten sich auf ihrem Gesicht. „Ja, Oma war schon immer schön.“ Sie wandte sich zu Ian zurück, ihre Augenbrauen zogen sich zusammen. „Erzähl weiter.“
„Da ist nicht mehr viel.“
„Streng dich an.“
Er dachte
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