Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition)
glaub mir. Du wirst bei mir immer für deine Arbeit entlohnt. Und ich gebe dir etwas, was keiner in der Oberwelt hat. Wenn du auf meine Seite wechselst, gebe ich dir ein ewiges Leben. Du wirst unsterblich.‘
Der Junge staunte. Keiner von seinen Verwandten oder Bekannten war unsterblich. Er hatte auch noch nie gehört, dass jemand überhaupt sich damit rühmen konnte, auch diejenigen, die ihre Träume hatten und ob ihrer Bestimmung wussten. Den Vorschlag fand er gut. Keiner würde ihm je so ein großzügiges Angebot machen. Das war klar. Er sollte sofort zugreifen, entschied er. ‚Und die zu Hause ...?‘, tauchte plötzlich die unbequeme Frage in seinem Kopf auf. ‚Ach, die konnte man vergessen‘, sagte er zu sich. Sie verlangten von ihm etwas, bauten vor ihm ein Problem auf, baten ihm aber nie eine Lösung an. Keiner wollte ihm sagen, was er sein sollte. Das, sagten sie immer, müsste er selbst herausfinden.
Der Junge erklärte sich einverstanden. Es war doch eine tolle Sache, sich diese vermaledeite Frage nach der Bestimmung nie wieder stellen zu müssen. Kaum sagte er ‚ja‘, ertönte ihr triumphierendes Lachen. Auf einmal wurde alles dunkel. Die Landschaft drehte sich um ihn. Ihm war, als ob ein Riesensturm aufkam und ihn mit sich riss. Keiner hatte ihn je in der Oberwelt wiedergesehen.
Viele Bewohner der Oberwelt waren seitdem verschwunden, allen voran diejenigen, die sich über die Frage der eigenen Bestimmung nicht im Klaren waren. Sie wurden später als Sklaven oder Diener in der Unterwelt gesichtet. Unnötig zu erwähnen, dass sie in keinem besonders guten Zustand waren. Die einen, physisch ausgelaugt, zutiefst deprimiert und von Ausweglosigkeit und Trauer gezeichnet, die anderen gar furchtbar entstellt, die dritten für immer verschwunden.
Diejenigen, die blieben, dürften nur das tun, was die Frau in Schwarz für richtig hielt, meistens waren es keine besonders leichte Aufgaben, die schwere Arbeit im Steinbruch von morgens früh bis abends spät war noch das Harmloseste. Die Frau hat das ‚Ja‘ wie versprochen, mit der Unsterblichkeit bezahlt. Dabei ist das Sterben das Einzige, was diese armen Teufel eigentlich wollen.“
Langes Schweigen breitete sich in der Kammer aus.
„Und wenn man sie aus ihren Klauen befreien würde?“, fragte Ian.
Die Schlange blickte traurig. „Die meisten haben keine Vorstellung davon, was sie dann mit ihrem Leben anstellen würden. Sie wüssten mit ihrem Leben nicht mehr viel anzufangen. Sie brauchen stets jemanden, der ihnen sagt, was zu tun ist und wo es langgeht. Das Einzige, was sie können ist, die Befehle auszuführen.“
„Ja, aber wenn sie frei wären, würden in Ruhe wieder sie zu sich kommen.“
„Wohl kaum. Es ist zu spät. Sie wussten gleich zu Anfang nicht, wer sie sind. Und nach all dem, was geschehen ist, haben sie kaum Chancen, es zu erfahren. Die Tür ist zugefallen. Sie bleiben im Zustand ihrer geistigen Umnachtung.“
„Wer sagt das?“ Der junge Mann blickte finster von unter den zusammengezogenen Brauen.
„Es gibt einige Quellen“, erwiderte Scharta und blickte nachdenklich ins bläuliche Feuer.
„Für jedes Gift gibt es auch ein Gegengift, sagt man bei uns in der Menschenwelt.“
„Hier gibt es das auch“, warf Anna ein. „Das hat Alphira auch immer gesagt.“
„Weißt du, wie es geht?“
„Der Herr oder die Herrin dieses Fluches müsste ihn selbst aufheben oder er muss von jemand anders außer Kraft gesetzt werden.“
„Etwa durch den Tod?“
„Nein, nicht unbedingt“, schüttelte Anna den Kopf. „Er kann einfach außer Kraft gesetzt werden, wie ich es sage.“
„Und woher nimmst du das?“
Die Jungmagierin lächelte zufrieden. „Ich habe auch etwas in der Oberwelt gelernt. Ich weiß es einfach. Es ist eine alte, ungeschriebene Regel.“
„Man müsste wissen, wie man diese Person dazu bringt, ihren Unfug rückgängig zu machen“, sagte Ian entschlossen.
„Darauf kannst du lange warten, fürchte ich“, erwiderte sie seufzend. „Sie will die Oberwelt der Unterwelt gleichmachen, schon vergessen?“
„Aber etwas muss doch geben, das sie stoppen kann.“
„Genau das ist auch meine Denke. Es muss etwas geben, das ihren Fluch außer Kraft setzt. Wir müssen einfach finden, was es ist.“
„Was mich aber am Meisten wundert“, murmelte der junge Mann, als ob er eher zu sich sprach, „so eine ähnlich verrückte Geschichte habe ich bereits vor Jahren von jemand anders gehört.“
„Von wem??“, riefen
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