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Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See

Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See

Titel: Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Neblin
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muss.
    „Geht es wieder?“, erkundigte ich mich. „Warte ich helfe Dir.“
    „Ja, es …“, und sie hustete wiederum, „… es geht schon.“
    Ich half ihr, die letzten Blumen einzusammeln, nahm die Schere und stützte sie und gemeinsam gingen wir zum Haus.
    „Was hältst Du davon, wenn ich heute mal das Frühstück mache?“, schlug ich vor.
    „Ja, das ist vielleicht keine schlechte Idee. Ich kümmere mich solange um den Strauß“, erwiderte sie.
    Als ich mit dem Tablett auf die Terrasse zurückkam, lag Annabell auf einem der Deckstühle und hatte die Augen geschlossen. Die Blumen lagen noch unberührt in dem Korb. Als sie mich kommen hörte, stand sie langsam auf und setzte sich an den Tisch.
    „Bist Du sicher, dass alles in Ordnung ist“, fragte ich. „Du siehst müde aus.“
    Das tat sie wirklich. Ihr Gesicht war ganz blass und um ihre hübschen Augen lag ein Schatten.
    „Ach es ist nichts, nur dieser …“
    ‚Husten’, wollte sie sagen und unterstrich ihre Worte mit einem erneuten Prusten.
    „Du nimmst die Medikamente nun schon beinahe eine Woche“, rechnete ich nach. „Am Montag solltest Du wirklich mal zum Arzt gehen. Wie heißt Dein Hausarzt? Ich werde gleich in der Früh von Margery einen Termin machen lassen und dafür sorgen, dass man Dich gleich drannimmt.“
    „Ja, vielleicht hast Du … HUSTEN … recht. Es ist Dr. Ramsey. Ich fühle mich auch … HUSTEN … irgendwie schlapp heute. Dabei … HUSTEN … konnte ich vorhin nicht mehr schlafen. Und wenn ich ehrlich bin … HUSTEN … habe ich auch keine so großen Appetit. Wenn nur dieser Muskelkater in den Seiten nicht … HUSTEN …“
    „Armer Liebling.“ Ich strich tröstend über ihre Hand. Die Hand war heiß.
    „Lass mal sehen“, sagte ich und legte ihr die Hand auf die Stirn. „Ich glaube, Du hast Fieber.“
    Und so war es auch. Das Thermometer zeigte 38,2.
    Also verordnete ich Annabell strenge Bettruhe, die sie bereitwillig annahm. Ich deckte sie zu, doch der Schüttelfrost ließ sie erzittern und es konnte ihr kaum warm genug sein. Also brachte ich ihr zwei Wärmeflaschen und eine große Kanne Kräutertee und ließ sie für eine Weile allein mit Anthony in unserem großen Bett.
    Als ich eine Stunde später nach ihr sah, schlief sie und wälzte sich unruhig hin und her. Gegen Mittag war das Fieber auf 38,9 gestiegen und es ging ihr zunehmend elender. Das Atmen fiel ihr schwer, der Husten schüttelte sie wieder und wieder durch. Ich setzte mich zu ihr und reichte ihr ein frisches Taschentuch. Als sie es vom Mund nahm, zeigte sich eitriger Schleim. Eine große unappetitliche Menge davon, die übel roch, was dazu führte, dass Annabell ins Bad taumelte, um sich zu übergeben.
    Damit war der Zeitpunkt gekommen, nicht länger abzuwarten und Dr. Ramsey auf den Plan zu rufen.

55.      Kapitel

 
 
    Dr. Ramsey war ein älterer Herr von 72 Jahren, der schon der Arzt von Annabells Großmutter und Mutter gewesen war. Leider war Dr. Ramsey auch ein leidenschaftlicher Golfer und es fügte sich, dass er just an diesem Samstag an einem Turnier teilnahm, um sein Neuner Handicap um einen weiteren Bruchteil zu verbessern.
    Statt seiner erschien ein Arzt, der um die vierzig Jahre alt sein mochte. Und was für eine Erscheinung das war: ein rundgesichtiger Mann mit rötlichem, nach hinten pomadiertem Haar und einer Tabakpfeife im Mundwinkel. Sein blau-weiß-gestreiftes Seersuckerjackett spannte an Armen und Schultern und stand weit offen, da es zu eng war, seine Körperfülle aufzunehmen, die in ein hellblaues Oberhemd mit Umschlagmanschetten und steifem Kragen gepresst war. Der oberste Knopf war geöffnet, sodass ein weißes Rundhals-T-Shirt hervorblitzte, über dessen Ausschnitt sich helles Brusthaar kräuselte. Seine knallrote Leinenhose, weit geschnitten aber zu kurz. Sie wurde von einem Gürtel aus braunem Ledergeflecht zusammengehalten, der herrlich mit seinen schwarzen blank polierten Schnürschuhen kontrastierte. Er musterte mich herablassend aus zusammengekniffenen Augen, die hinter einer rundglasigen Brille aus goldenem Metall verborgen lagen. Seine sonnengerötete Haut war mit einem feinen Schweißfilm überzogen.
    „Dr. Heppleton“, stellte er sich mit schlabberig-weichem Händedruck vor, wobei er das „Dr.“ hochmütig betonte, und reichte mir eine Visitenkarte, auf der eben das in gezierter Schrift vermerkt war: „Lionel W. Heppleton, M.D.“.
    Ich brauche nicht zu erwähnen, dass er mir auf Anhieb unsympathisch

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