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Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See

Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See

Titel: Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Neblin
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hab ich noch nie gesessen.“
    „Nicht ganz so heiß wie Du, würde ich sagen“, entgegnete ich übertrieben und zwinkerte ihr zu.
    „Danke.“
    Es war offensichtlich exakt die Wirkung, die sie mit ihrer Aufmachung zu erzielen gehofft hatte.
    Ich ließ den Motor an. Wir fuhren los.
    Auf der anderen Straßenseite passierten wir ein Haus, aus dem ein junger, gut gebauter Kerl im schwarzen Muskelshirt trat und den Porsche mit offenem Mund anstarrte.
    „Ja da kuckst Du, Lorenzo! Ist was anderes als Deine Rostlaube“, schrie Sandy ihm zu.
    „Ach, fick Dich doch, Sandy!“
    Auf meinen verwunderten Blick hin erklärte sie:
    „Bin ein paar Mal mit dem weg gewesen. Ist voll der Loser.“
    „Das glaub ich gern.“
    Wir fuhren zu einem Strandcafé am ‚Hauptstrand’ von South Port. Es war nicht anstrengend, sich mit ihr zu unterhalten. Sie erzählte freimütig von ihrem Leben, in dem einiges schief gegangen war. Ihren Vater hatte sie nie kennengelernt. Der ältere Bruder, den ihre Mutter zur Welt gebracht hatte, als diese vierzehn war, saß wegen wiederholten Ladendiebstahls im Gefängnis. Die ältere Schwester war von zu Hause fortgelaufen und ward nicht mehr gesehen. Sandy hatte früh die Schule abgebrochen und war von zu Hause ausgezogen, als sie sechzehn war. Seit einiger Zeit arbeitete sie nun im Diner. Der Lohn reichte so eben dazu, die Miete ihrer Einzimmerwohnung und die Zigaretten zu bezahlen, von denen sie im Verlauf des Abends eine nach der anderen ansteckte – offenbar um die Entbehrung während ihrer Arbeitszeit auszugleichen. Während ich mich mit alkoholfreiem Bier begnügte, sorgte ich dafür, dass für Sandy stets ein neuer Cocktail bereitstand.
    Als es dunkel war, gingen wir am Strand spazieren. Sandy, die sich nun auf meinen Arm stützte und in vollkommen gelöster Stimmung war, berichtete von ihren Liebhabern. Sie gerate immer an die Falschen, sagte sie. Versager, wie Lorenzo, verheiratete Männer. Allesamt Beziehungen ohne Zukunft. Das letzte Mal sei sie vor zwei Monaten mit einem Mann zusammen gewesen, der Gebrauchtwagen handelte. Ein schmieriger Typ, der wie sich herausgestellt hatte, sein Eisen in mehreren Feuern gleichzeitig hatte.
    Ich erzählte ihr von meiner Arbeit in Boston, von meinem Zwangsaufenthalt in South Port, dass ich aufgrund meiner beruflichen Beanspruchung nahezu zölibatär lebte und meine langjährige Freundin Jessica sich vor vier Monaten von mir getrennt habe – kurzum: Ich improvisierte.
    Sandy blieb in diesem Augenblick stehen, sah mich mitleidsvoll an und schlang die Arme um meinen Hals:
    „Ooh, Du Armer. Wie kann man Dich nur verlassen.“
    Sie strich mir über das Haar.
    „Du bist doch … viel zu süß, um verlassen zu werden.“
    Sie zog mich zu sich herunter und küsste mich – erst zart, dann zunehmend forscher. Sie presste ihren Körper an mich und spürte die Reaktion, die das gekonnte Spiel ihrer Zunge bei mir auslöste. Sie kicherte.
    „Du magst mich, oder? …Du würdest mich nie verlassen … so einer bist Du nicht, oder?“
    Eine eventuelle Antwort auf diese mehr rhetorische Frage erstickte sie mit weiteren Küssen.
    Nachdem einer Weile entschied ich, dass es Zeit für den nächsten Schritt war. „Sandy, es ist schon spät. Ich glaube, ich sollte Dich nach Hause bringen.“
    „Was jetzt schon? … Ooh, Du bist ja ein ganz schlimmer, was?“
    Sie kicherte abermals. „Na gut …“
    Ich geleitete sie zum Wagen, drehte die Musik voll auf, um die Notwendigkeit jeglicher Konversation von vornherein auszuschließen, und wir rauschten durch die laue Sommernacht. Sandy streckte ihre Arme über die Windschutzscheibe aus und ließ den Fahrtwind durch ihre Finger streifen.
    „Wuhuu. Schneller. Schneller“, feuerte sie mich an.
    Währenddessen fragte ich mich zum wohl hundertsten Mal an diesem Abend, was Annabell und Jason veranstalteten. Die Vorstellung, dass er mit ihr zusammen allein auf dem Sofa im Wohnzimmer oder auf der Bank auf dem Plateau saß, gefiel mir nicht – ganz und gar nicht. Was, wenn er die Situation ausnutzte? Einem Jungen wie ihm war alles zuzutrauen.
    Vor Sandys Haus angekommen, hielt ich ihr die Tür auf und begleitete sie zu ihrer Eingangstür. Der folgende Moment war ein weiterer ganz entscheidender Schritt für den planmäßigen Fortgang meiner Mission. Also sah ich ihr tief in die Augen und küsste sie zart.
    Gierig erwiderte sie meinen Kuss.
    Dann brach ich ab.
    „Sandy, es war ein wundervoller Abend“, stellte ich fest.
    „Jaa.

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