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Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See

Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See

Titel: Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Neblin
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Leckeres zu Abend?“, fragte ich stattdessen.
    „Ja. Es gab Omelette mit Speck, Spargel, frischem Schnittlauch und drei Sorten Käse. Hat sehr gut geschmeckt.“
    Da war schon wieder dieses Lächeln. So ein wissendes Lächeln. Ganz so, als wäre da noch etwas zu erzählen, das Annabell mir verschwieg.
    Sie machte das absichtlich, warf einen Köder aus und wartete darauf, dass ich Anbiss. Ich widerstand der Verlockung nicht und biss tatsächlich an – ein Omen möglicherweise:
    „Und … wie lange ist er geblieben?“
    „Ach, er war gar nicht hier. Wir haben sehr lange telefoniert. Fast zwei Stunden.“
    Sie nahm einen Schluck Orangensaft.
    „Man kann sich gut mit Jason unterhalten. Hätte ich gar nicht gedacht. Oft sind diese gut aussehenden Typen ja ein bisschen oberflächlich.“
    Ouch! Genau zwischen die Augen.
    Aber sie hatten nur telefoniert. Ein Glück.
    Obwohl andererseits. Er war unterhaltsam. Tiefgründig gar. Sie waren sich persönlich näher gekommen. Das war vielleicht noch viel schlimmer als ein oberflächlicher Kuss. Vielleicht noch tiefgehender als mein Tiefgang bei Sandy. Und eigentlich sollte es mich gar nicht interessieren. Ich hatte mir geschworen, sie in Frieden zu lassen.
    „Und wie war’s bei Dir und Sandy? Habt ihr Euch auch gut … unterhalten?“
    Ich war mir sicher, dass in der zweiten Frage eine gewisse Ironie mitschwang.
    „Ja, doch. Wir haben uns gut … verstanden.“
    „Seht ihr Euch wieder?“
    Wohl kaum! Sandy war ganz nett, keine Frage. Aber sie spielte nicht gerade in meiner Preisklasse und hatte mir alles gegeben, was von ihr zu nehmen, ich in der Lage war. Was für einen Reiz sollte sie jetzt noch für mich haben?
    „Kann schon sein. Ich weiß nicht.“
    „Ihr könntet Euch ja vielleicht morgen treffen. Ich bin für nachmittags verabredet.“
    Na großartig. Sie hatten nicht nur telefoniert, sondern sich auch schon verabredet. Gestern hatte Jason gesät und morgen wollte er ernten, dieser Fuchs.
    „Ja. Mal sehen, was ich mache. Ich werde mich schon irgendwie beschäftigen. Vielleicht hat Cathy ja Zeit.“
    „Ja, vielleicht.“
    Annabell sah an mir vorbei. Was dachte sie jetzt? Sie sah ein wenig traurig aus. Dann besann sie sich:
    „Da es ja heute ohnehin bewölkt ist, habe ich gedacht wir machen einen Gartentag. Es ist einiges zu tun. Hast Du Lust?“
    Bravo. Nichts lieber als Gartenarbeit.
    „Ja, warum nicht.“
    Wie schon gesagt war einiges zu tun, um dem Garten den Glanz zurückzugeben, den er vor dem Tod von Annabells Großmutter zweifellos besessen hatte.
    So verbrachten wir den Großteil des Tages damit, den Rasen zu mähen, die Beete abzustechen, die Büsche in Form zu bringen, Unkraut zu jähten, die Hecken zu schneiden. Ich kämpfte mit den riesigen Rosenbüschen und hatte das Gefühl, es müssten Hunderte von verblühten Rosen sein, die ich in einen Eimer köpfte, in der Hoffnung an ihrer Stelle würden die Büsche uns mit neuem Blütenflor belohnen.
    Die ungewohnte Arbeit war anstrengend. Schon nach nicht einmal einer Stunde dachte ich an eine Unterbrechung. Doch Annabell, die sich nicht weniger ins Zeug legte, hielt tapfer noch zwei weitere Stunden durch, bevor wir eine Verschnaufpause einlegten.
    Ich wischte mir den Schweiß, der mit in Bächen über das Gesicht rann, mit einem Handtuch ab und streckte mich auf einer Bank im Schatten eines großen Amberbaumes aus. Annabell brachte uns ein Tablett mit Eistee, den sie selbst zubereitet hatte und on the rocks mit einer Limettenscheibe servierte.
    „Köstlich“, sagte ich und leerte das Glas mit einem Zug.
    „Nicht so hastig, sonst verdirbst Du Dir den Magen oder erkältest Dich. Der Tee ist doch eiskalt.“
    „Es wird mich schon nicht umbringen“, antwortete ich, „im Gegensatz zu diesem Unkraut. Es ist erstaunlich, wie hartnäckig sich das Zeug im Boden festkrallt und wo es überall wächst.“
    „Grandma hat immer gesagt, Unkraut ist wie schlechte Angewohnheiten – je länger man es wachsen lässt, desto schwieriger wird es, es mitsamt der Wurzel auszureißen.“
    Heute muss ich dabei an die Ketten denken, die Marleys Geist in Dickens‘ Weihnachtsgeschichte trägt.
    „Eine kluge Frau, Deine Großmutter. Wenn Sie den Garten hier allein bewirtschaftet hat, wusste sie jedenfalls, wovon sie spricht.“
    Als die Arbeit getan war und der Himmel sich mehr und mehr verdunkelte, ließen wir uns in die weichen Polster der Stühle unter dem Balkon fallen und bewunderten unser Werk.
    Ich war weit mehr

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