Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See
glaube sogar, einen Guten“, sagte ich verheißungsvoll.
Annabell war gut informiert. Auf der Suche nach einem geeigneten Restaurant waren mir die Hummer eingefallen, die der Wagen von Nick’s in der vergangenen Woche vom Hafen geholt hatte. Ich im Internet recherchiert und mit Erstaunen über meine Ignoranz festgestellt, dass das Restaurant zu den besten des Staates gehörte. Nick hatte schon in Paris und New York gekocht.
Wir fuhren vor den Eingang, wo zwei junge dunkelhäutige Männer uns aus dem Wagen halfen und mir die Schlüssel abnahmen, um ihn zu parken. Die beiden trugen rote, goldbesetzte Frackjacken ohne Schöße, weiße Hemden mit Kläppchenkragen, schwarze Schleifen, schwarze Hosen mit goldenem Galon und weiße Handschuhe.
Ich hatte keinen Zweifel, dass sie mit dem Porsche umzugehen verstanden. Der Wagen war hier keine Besonderheit. Den Parkplatz zierten ausnahmslos teure Sportwagen und luxuriöse Limousinen. Es waren einige Bostoner Kennzeichen dabei und sogar ein Wagen aus New York. Die Besitzer schienen Nick nach Massachusetts gefolgt zu sein.
Ein älterer Portier mit derselben Uniform wie die Parkhilfen öffnete uns die Tür und wir betraten die Eingangshalle, wo uns der Maître im klassischen Smoking mit U-Boot-Weste in Empfang nahm.
Ich hatte mich gefragt, warum Nick hier in der Provinz ein Restaurant eröffnet hatte, aber als der Maître uns zu unserem Tisch auf die Terrasse führte, wurde mir klar warum. Die Aussicht war einzigartig.
Unser Tisch war, wie man mir zugesagt hatte, einer der besseren, denn er stand auf dem obersten Teil der Terrasse, die sich auf drei Ebenen zum Wasser hin erstreckte, wobei die mittlere Ebene eine Tanzfläche und Platz für ein kleines Orchester bot, das allerdings im Moment noch nicht dort war. Während wir uns setzten, spielte stattdessen ein Streichquartett das Allegro aus dem ersten Brandenburgischen Konzert – diese Live Version war besser als die meiner Musikanlage in Boston.
Es war schwierig gewesen, diesen Tisch zu bekommen. Zunächst hatte man auch mich mit dem Hinweis abfertigen wollen, die Tische im Außenbereich seien auf Monate hinaus ausgebucht, die Tische im Inneren auf Wochen. Doch so leicht gab ich nicht auf. Ich hatte mir in den Kopf gesetzt, dass dieser letzte Abend etwas ganz Besonderes würde. Also hatte ich über Margery in Erfahrung bringen lassen, ob einer der Partner der Kanzlei hier eventuell bekannt war und es stellte sich heraus, dass gleich mehrere Partner hier regelmäßig verkehrten. Ich ließ dies bei meinem nächsten Versuch in das Gespräch einfließen, verlangte den Maître zu sprechen und sagte ihm eine Aufmerksamkeit von 200 Dollar zur persönlichen Verwendung zu – auf ähnliche Weise hatte Craig uns einmal einen Tisch in einem erstklassigen Restaurant in New York besorgt.
Während Annabell das Interieur auf sich hatte wirken lassen, hatte ich dem Maître unauffällig die Scheine zugesteckt und uns für die kommenden Stunden eine Vorzugsbehandlung garantiert.
„Es ist so schön hier. Ich kann kaum glauben, dass wir hier essen.“ Annabell sah sich immer noch voller Staunen um. „Sieh Dir nur all die Leute an. Und was sie anhaben.“
Die Damen – von wenigen Töchtern oder jungen Freundinnen abgesehen im Alter von fünfunddreißig und aufwärts mit einem Schwerpunkt um die sechzig – trugen überwiegend elegante Abendkleider. Die Herren ganz überwiegend Smoking oder einen dunklen Anzug.
„Ich passe hier gar nicht hin“, sagte Annabell schließlich ein wenig kleinlaut.
Ich sah ihr tief in die Augen.
„Du passt hier bestens hin. Es gibt niemanden hier, der sich an Schönheit mit Dir messen kann. Ganz gleich, was und wie viele Juwelen sie tragen. Es liegt nicht an Deinem Kleid, dass die Herren Dich angestarrt haben, als wir hereingekommen sind. Sieh Dich nur um. Sie starren immer noch. Sogar Senator Burke da hinten.“
Annabell schoss das Blut in die Wangen, aber sie schien doch zufrieden mit ihrer Wirkung. Und es stimmte: Sogar einer der Senatoren von Massachusetts war an diesem Abend hier. Er hatte zu meinem großen Vergnügen einen schlechteren Tisch bekommen als wir und warf mehr als einmal einen begehrlichen Blick auf Annabell.
Der Maître brachte uns wenig später persönlich ein Glas Champagner und wünschte uns einen angenehmen Abend.
Ich erhob mein Glas: „Auf eine ganz besondere Woche und auf meine Schwester, das hübscheste Mädchen der Cape Cod Bay.“
„Ach, übertreib doch nicht“,
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