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Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See

Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See

Titel: Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Neblin
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wegfahren. Aber dann würden die Täter entkommen, falls sie noch da waren. Und ich wollte den Glatzkopf dieses Mal auf keinen Fall entkommen lassen. Es war kein Zufall. Mittlerweile war ich mir sicher. Er war hier gewesen. In meinem Haus. Also würden wir reingehen. Annabell allein im Wagen zu lassen, wo ich sie nicht im Auge hatte, kam nicht in Frage.
    „Sie sind in fünf Minuten da“, meldete Annabell.
    Das schien mir optimistisch, aber ich sagte nichts.
    „Bleib dicht hinter mir. Wir gehen rein.“
    Behutsam schob ich die Tür auf. Ich trat in die Eingangshalle und tastete nach dem Lichtschalter. Mein Herz klopfte in Erwartung der grobschlächtigen Visage des Glatzkopfs. Ich schaltete das Licht ein. Wenn noch jemand im Haus war, würde er spätestens jetzt wissen, dass er nicht länger allein war.
    Die kleine Eingangshalle lag menschenleer und unberührt vor uns. Keine Unordnung, keine offenen Schubladen in der Kommode unter dem Spiegel, kein Vandalismus. Nichts deutete darauf hin, dass jemand hier gewesen war.
    Ich nahm einen Regenschirm mit Metallspitze aus dem Schirmständer. Besser eine schlechte Waffe, als gar keine. Verdammt, ich sollte mir unbedingt eine Schusswaffe zulegen!
    „Schließ die Tür“, flüsterte ich Annabell zu. „Wir wollen doch nicht, dass uns jemand von hinten auf die Schulter klopft.“
    Annabell tat wie ihr geheißen und augenblicklich waren wir eingekreist. Die Wände schienen näher zu kommen. Eine klaustrophobische Enge zwängte uns ein, legte sich um unsere Kehlen und schnürte uns die Luft ab.
    Wir verharrten eine Minute regungslos, aber nichts geschah. Im dunklen Wohnzimmer war nichts zu sehen.
    Langsam bewegte ich mich vorwärts, den Schirm wie einen Degen erhoben, und versicherte mich, dass Annabell mir folgte.
    Nachdem ich das Licht auch dort eingeschaltet hatte, zeigte sich im Wohnzimmer das gleiche Bild der Unversehrtheit. Kein Buch, das nicht an seinem Platz im Regal stand, kein Kissen, das nicht ordentlich in seiner Ecke des Sofas oder der großen Sessel lag, kein Blütenblatt des Straußes auf dem Tisch, das sich löste. Es war unheimlich. Normale Einbrecher hinterließen Spuren. Es musste mit dem Glatzkopf zu tun haben.
    Im Esszimmer und in der Küche sah es nicht anders aus. Allmählich begann ich, zu zweifeln. Hatten wir die Haustür wirklich verschlossen?
    Das Heulen der Polizeisirenen verlangsamte meinen Herzschlag. Wir stürmten zum Eingang und nahmen die Beamten in Empfang, die mit gezogenen Waffen aus zwei Dienstwagen hasteten, deren Signallichter den Vorgarten in einem Tatort verwandelten.
    „Meyers, wie sieht es aus bei Ihnen? Alles in Ordnung?“ Officer Crawford hielt bei uns inne, während sich zwei seiner Kollegen an uns vorbei ins Treppenhaus drängten. Ein Dritter lief um das Haus herum.
    „Wie man’s nimmt, Officer. Es sieht aus, als wäre niemand da gewesen, aber meine Schwester und ich sind uns sicher, dass die Tür verschlossen war, als wir wegfuhren. Als wir gerade zurückkamen, stand sie offen. Angesichts der Ereignisse der vergangenen Woche …“
    „Ich verstehe schon. Und Sie haben recht: Besser Sie rufen einmal zu viel an, als zu wenig!“ Crawford sah sich die Tür und insbesondere das Schloss an. Auch ich beugte mich hinunter, konnte aber nicht den geringsten Kratzer entdecken. Crawford ging es genau so, denn er schüttelte den Kopf. „Schwer zu sagen, ob sich da jemand zu schaffen gemacht hat. Falls es so war, waren es Profis. Kommen Sie, wir gehen rein.“
    Er schob uns durch die Tür. Die beiden Polizisten bestätigten Crawford, was wir schon wussten: „Unten ist alles gesichert. Keine offensichtlichen Spuren. Sauber wie ein frisch gepuderter Babypopo.“
    „Dann seht oben nach, Karl. Und wir drei“, er wandte sich an uns, „sehen zu, dass wir erst einmal einen Kaffee bekommen nach der Aufregung. Wenn noch jemand im Haus war, ist er spätestens geflüchtet, als er unsere Sirenen gehört hat. Niemand ist so dämlich, sich oben zu verstecken, wenn die Kavallerie unten über den Hügel reitet. Ein Kaffee mit Schuss wäre übrigens nicht schlecht. Und Sie sind sicher, dass die Tür nicht nur angelehnt war? Bei diesem Sauwetter kann der Wind sie leicht aufdrücken.“
    Vielleicht hatten wir sie wirklich nur angelehnt. Unsere Begegnungen mit dem Glatzkopf machten uns anscheinend paranoid.
    Wir gingen in die Küche. Annabell kümmerte sich um die Verpflegung unserer Gäste, als Karl in der Tür erschien: „Wir haben da etwas, das Sie

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