Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See
einen geblümten Pyjama und sah, aus dem Schlaf gerissen, wie sie war, schöner aus denn je.
„Ethan, oh mein Gott, wie siehst Du denn aus? Was ist passiert?“
Besorgt sah sie sich mein Gesicht an.
Überschwänglich nahm ich sie bei den Händen und küsste sie auf die Stirn.
„Annabell, darf ich Dir meinen Freund John vorstellen?“
„Miss Meyers“, John deutete galant eine Verbeugung an, „Ich habe schon viel von Ihnen gehört.“
„John und seine Männer haben dafür gesorgt, dass wir wieder ruhig schlafen können. Der Glatzkopf wird Dich nie wieder belästigen. Ich erzähle dir gleich die ganze Geschichte. Aber erst müssen wir dafür sorgen, dass alle einen guten Platz finden. Wir haben Bier, Burger und Pizza mitgebracht.“
Als das Essen verteilt war und die Flaschen ausgegeben waren, erzählte ich in groben Zügen, was sich am Abend ereignet hatte. John und seine Männer unterstützten mich dabei tatkräftig und hoben besonders mein todesmutiges Duell mit dem Teufel hervor. Annabell verfolgte alles mit staunenden Augen. Sie strahlte vor Erleichterung, dass der Glatzkopf endgültig gefasst war, und vor Stolz über ihren Bruder.
„Und wie kam es, dass John und die anderen ganz zufällig auf dem alten Friedhof waren?“, wollte sie wissen.
„Ganz so zufällig waren sie nicht da“, bestätigte ich. „Nachdem ich die Botschaft des Glatzkopfs gelesen hatte, wurde mir klar, dass ich eine endgültige Klärung dieses Problems herbeiführen musste. Was hatte ich für Möglichkeiten? Ich konnte zur hiesigen Polizei gehen. Aber … sagen wir, mir kamen Zweifel, was ihre Effizienz angeht. Dann fiel mir John ein. Ich rief ihn an und schilderte ihm die Situation. Er bot mir an, die Sache auf eine drastischere Weise zu erledigen.“
„Semper Fi, Miss Annabell“, schaltete John sich ein. „Man könnte auch sagen, ‚semper fight‘ – keine Nachsicht mit Terroristen! Meine Jungs und ich sind zwar schon eine Weile aus dem aktiven Dienst raus. Wir haben neue Jobs und all das. Es ist in Ordnung. Aber auch ein bisschen öde. Man rostet ein. Das heute Abend war eine Gelegenheit, mal wieder das zu tun, wofür wir ausgebildet worden sind. Natürlich war es keine wirkliche Herausforderung. Ein paar Zivilisten auf Motorrädern sind nicht gerade Saddams Wüstenratten, aber wenn man irgendwo auf Ungeziefer trifft, ist man nicht wählerisch. Man erledigt es einfach. Ich hab ein paar Leute angerufen und ja, es ist fast ein vollständiger Squad zusammengekommen. Fireteam Charlie fehlte zwar ein Mann, aber wir hatten schließlich auch keinen ernst zu nehmenden Gegner.“
„Was John mir vorschlug, hat mich überzeugt, die Sache nicht auf dem regulären Weg aus der Welt zu schaffen. Und es hat funktioniert.“
„Natürlich hat es funktioniert, Sir. Wir sprechen hier von Marines.“
Die Männer ließen das Corps hochleben und stimmten „From the Halls of Montezuma“ an. Im weiteren Verlauf des Abends, als der Alkoholpegel weiter angestiegen war, musste John, der als Einziger nüchtern blieb, sie des Öfteren davon abhalten, im Beisein Annabells anstößigere Lieder zum Besten zu geben. Strophen von ‚Oh Bin Laden‘ von John Valby und ‚Whips ‚n‘ Things‘ von David Allan Coe waren noch die harmlosesten Ansätze. Kurzum: Die Stimmung war ausgelassen.
Als wir um kurz vor vier Uhr morgens auseinandergingen, wollte ich mich erkenntlich zeigen.
„John. Ich kann nicht in Worte fassen, wie dankbar ich Ihnen und Ihren Männern bin. Ich werde den vereinbarten Betrag umgehend anweisen.“
„Nichts zu danken, Sir. Und zu dem Honorar: Ich habe mit den Männern gesprochen und sie haben mich gebeten, noch mal mit Ihnen zu sprechen …“
„Kein Problem, John. Nennen Sie mir eine Summe und ich werde sie überweisen. Ich lasse sogar jedem von Ihnen ein diskretes Offshore-Konto einrichten, wenn Sie wollen. Sie brauchen es nur zu sagen.“
„Sie verstehen nicht, Sir. Die Männer verzichten auf das Geld. Was wir heute getan haben, haben wir für die gute Sache getan, für die Ehre, wenn Sie so wollen. In Ihrem kleinen Konflikt stand fest, was die anderen Jungs verbrochen haben. Das ist bei Weitem nicht immer so. Wenn man gegen ein ganzes Land in den Krieg zieht, stehen einem auch viele Männer gegenüber, die aus guten Gründen kämpfen – von den Zivilisten ganz zu schweigen. Nehmen Sie deshalb unser Machogehabe nicht allzu ernst und wenn Sie meinen, etwa tun zu müssen, leisten Sie eine Spende. Für die
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