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Annas Erbe

Annas Erbe

Titel: Annas Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Eckert
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italienisches Restaurant eine Straße weiter biete einen preiswerten Mittagstisch. Thann sah demonstrativ auf die Uhr. Keine Zeit.
    Er fragte sich, ob Miller sich bei ihm einschmeicheln wollte. Der jüngste Kollege schien intelligent zu sein und fleißig. Er war schmächtig, sein Verhalten zurückhaltend. Von den sieben Kollegen, die mit Thann am Deponiemord arbeiteten, war der Benjamin ihm am sympathischsten.
    Sie wählten das Fischfilet mit Remouladensauce und setzten sich an einen Tisch mit Kollegen aus dem K2 – Sitte, Rauschgift und vermisste Personen.
    Plötzlich hörten sie ein dumpfes Bohren, laut und durchdringend.
    »Müssen die ihren Lärm machen, wenn wir essen?«
    »Bauarbeiter machen eben früher Mittagspause.«
    »Was wird da gebaut?«, fragte Miller.
    »Das weißt du nicht? Der Zellentrakt wird umgebaut. Millionenprojekt. Dauert sicher Monate.«
    »Sie haben herausgefunden, dass in jeder Zelle ein Kubikmeter fehlt. Zu wenig Luft zum Atmen für die Personen, die sich in Polizeigewahrsam befinden. Da hat so ein Sesselfurzer aus der Verwaltung einmal ein Metermaß in die Hand genommen, verstehst du?«
    »Dabei riechen die Besoffenen nicht besser, wenn sie mehr Luft haben!«
    »Hat schon mal jemand unsere Büros ausgemessen?«
    Ein Sittenkollege winkte ab. »Die dürfen natürlich kleiner sein als die Gemächer der Herren und Damen Festgenommenen. Andere Bestimmungen.«
    »Zurzeit findest du keinen Gefangenen wieder. Die Zellen sind während des Umbaus auf sämtliche Stockwerke verteilt worden. Die Kollegen vom K4 mussten schon dreimal umziehen.«
    »Für das Geld sollten sie uns lieber endlich mal Computer kaufen.«
    Der Fisch erwies sich als trocken, die Sauce als ölig. Weitere Kollegen kamen an den Tisch. Fotos gingen herum. Die Kollegen feixten. Neues Thema. Sie hatten am Vormittag ein Bordell durchsucht und geschlossen, das von Polen oder Russen geleitet worden war. Obwohl sie keine Drogen gefunden hatten, waren sie sicher, den Zugriff der gefürchteten Russenmafia auf die Unterwelt der Stadt abgewendet zu haben.
    Aus seiner Zeit bei der Sitte wusste Thann, dass es seit Jahren gängige Praxis war, die einheimische Zuhälterszene ungeschoren zu lassen, solange es keine Beschwerden wegen Nepps oder Beischlafdiebstahls gab. Wenn eine verprügelte Nutte aus Brasilien oder Thailand Anzeige erstattete, wurde sie kurzerhand in ihr Heimatland abgeschoben. Stattdessen wehrte die Polizei jeden Versuch auswärtiger Banden ab, in der Stadt Fuß zu fassen. Die einheimischen Ganoven galten als Informanten. Auf diese Art konnten Kämpfe rivalisierender Banden erst gar nicht entstehen.
    Beide Seiten, Ganoven und Polizei, lebten gut damit. Die Unterwelt blieb das, was sie zu sein hatte, nämlich unsichtbar für den Normalbürger. Die Beruhigungsstrategie. Als ihr Erfinder galt Bollmann.
    »Eigentlich war der Puff völlig sauber«, erklärte Thanns Tischnachbar, ein klein gewachsener Mittdreißiger mit dunklen Locken. »Doch dann fanden wir dies: Der Russenpuff war die Zentrale eines Pornorings. Guck mal, widerlich, nicht wahr? Wir haben dann gleich kurzen Prozess gemacht: Laden dicht und die Mädels zurück in die Taiga.«
    Ein Blick auf die Fotos. Schund. Frauen beim Geschlechtsverkehr mit Tieren. Thann war der Appetit endgültig vergangen.
    »Wenn ich meine Frau mit meinem Schäferhund erwischen würde, ich glaub', ich wüsste nicht, wen ich zuerst erschießen würde, meine Frau oder den Hund«, bemerkte ein anderer Sittenkollege mit vollem Mund.
    »Ich finde, die Fotos haben was. Irgendwie scharf.«
    »Ich kann dir ja mal meinen Hund ausleihen!«
    Gelächter.
    »Nee, lieber deine Frau.«
    Größeres Gelächter.
    Thann schob sein Essen von sich.
    »Such dir welche davon aus. Gratis. Wir haben Hunderte davon. Und Videos noch dazu«, bot ihm ein Tischnachbar an.
    Asservatenmissbrauch. Thann lehnte ab und trug seinen halb vollen Teller zum Geschirrwagen.
     
     
    12.
     
    Eichs Mutter wohnte außerhalb der Stadt in einem kleinen Ort auf dem Land, etwa eine halbe Autostunde entfernt. Sie war Witwe, Günther Eich war ihr einziger Sohn gewesen. Als Thann vor dem kleinen, alten Einfamilienhaus hielt, hatte der Regen nachgelassen. Er öffnete die verwitterte, niedrige Gartentür.
    Der Vorgarten war verwildert, in den Büschen und Obstbäumen hüpften Meisen und suchten Schutz vor den Regentropfen. Rissige, quadratische Platten aus rötlichem Stein markierten einen Pfad, der an der Haustür endete. Daneben stand eine

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