Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Annas Erbe

Annas Erbe

Titel: Annas Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Eckert
Vom Netzwerk:
gegen Korfmachers rote Nase. Der Fotograf heulte auf und glitt zu Boden, als Thann ihn losließ. Ich muss Sie vor sich selbst retten.
    Verschnaufpause. Der Schmerz hatte Tränen in Korfmachers Augen getrieben. Thann wischte sich Blut von der Stirn. Eva und Udo – wie konnten Geschwister nur so unterschiedlich sein?
    Noch ein Anlauf. »Reden Sie jetzt. Was war bei Ihrem Treffen mit Günther Eich?«
    »Sie wissen nichts. Sie können mir nichts anhaben.«
    »Ich komme wieder. Beim nächsten Mal werden Sie reden.«
    Korfmacher verzog seine blutiges Gesicht zu einem Grinsen. Die Zahnlücke war wieder da. Korfmachers Zahnarzt musste noch einmal ran. Dennoch schien sich der Geschlagene als der Stärkere zu fühlen.
    Thann unterdrückte den Impuls, seine Wut an all den Lampen und Kameras auszulassen.
     
    Auf dem Hof begegnete Thann einem Mädchen, das auf Plateausohlen mit großen, wippenden Schritten auf das Hinterhaus zuging. Sie trug eine braune, ausgestellte Hose und eine Jeansjacke, unter der ein Strickpullover hervorlugte. Sie hatte sehr langes Haar und eine Pudelmütze auf dem Kopf. Der Hippielook, den Anna Korfmacher auch getragen hatte. Das Mädchen war kaum älter als 18. Ein »Shooting« für die Seite drei des BLITZ oder für die anderen Schweinereien dieser Ratte, dachte Thann.
    Sie lächelte und winkte, als sie näher kam. Er grüßte zurück. Sein Magen schmerzte, seine Nerven flatterten.
    Rastlos fuhr Thann durch die Stadt. Sie werden es bereuen. Sie können mir nichts anhaben. Zu wem mochte Korfmacher so gute Beziehungen haben, dass er ihm drohte, obwohl er blutend in der Ecke lag? Thann kaute Kaugummi, ohne getrunken zu haben. Alkohol hätte ihm jetzt gutgetan. Doch er wollte sich beweisen, dass es ohne ging. Und er wollte nüchtern sein, wenn er Eva traf.
    Er fuhr Richtung Innenstadt. Es wurde dunkel. Der Schnee war fast vollständig weggeschmolzen. Regen hatte eingesetzt. Durch die angelaufenen Scheiben sah die Stadt wieder aus wie von Frentzel gemalt.
    Die Weihnachtsbeleuchtung in den Straßen konnte ihn ebenso wenig heiter stimmen wie die Lieder aus dem Radio, die von Frieden, Freude und Glockengeläut kündeten. Als er die Friedrichstraße erreichte, parkte er gegenüber dem Hochhaus. Ein Kinderchor sang von Erlösung durch den Heiland. Ein Trupp holländischer Touristen lief am Auto vorbei, jeder von ihnen trug eine Weihnachtsmannmütze.
    Thann kaute auf seinem Gummi herum. Noch fünfzehn Minuten bis zu seiner Verabredung. Er hoffte, dass die Zeit reichte, seine inneren Wogen zu glätten.
     
     
    29.
     
    Sie saßen in einem italienischen Restaurant der gehobenen Klasse. Keine Toscana-Poster, kein kitschiger Stuck an den Wänden, keine Pizza. Dafür Tischdecken und Servietten aus weißem Leinen und verschiedene Gläser neben jedem Teller. Thann war noch nie in diesem Lokal gewesen. Eva hatte ihn hierhergeführt, nachdem sie beide festgestellt hatten, wie hungrig sie waren. Es lag ganz in der Nähe der Anwaltskanzlei. Zu Fuß waren sie unter Evas Regenschirm durch die Straßen gelaufen. Thanns Herz klopfte, wie er es seit seiner Jugend nicht mehr erlebt hatte.
    Vor dem Fenster sah man das, was die Stadt ihre Skyline nannte. Im Vordergrund den dreißigstöckigen Büroturm an der Friedrichstraße. Thanns Appetit nahm schlagartig ab, als er die Preise für Lammrücken oder Seezunge las. Er war froh, als Eva nur ein Nudelgericht bestellte, und tat das Gleiche.
    »Vini?«, fragte der Kellner.
    Eva bestellte Weißwein, Thann ein Mineralwasser. Er kam zur Sache. »Sie sind die Tochter von Anna Korfmacher, die ermordet wurde, als Sie zwei Jahre alt waren. Sie arbeiten in der Kanzlei, die den Mann vertreten hat, der als Mörder Ihrer Mutter verurteilt wurde. Zufall?«
    »Ja. Zufall. Ich arbeitete bereits ein halbes Jahr bei Meier, als ich es bemerkte. Damals stand ein neuer Anlauf zur Begnadigung von Günther Eich an. Ich habe mich noch nie so sehr für einen Fall interessiert. Natürlich wegen meiner Mutter.« Ihre braunen Augen strahlten Wärme aus.
    »Sie schrieben Eich einen Brief, als er noch im Gefängnis saß. Haben Sie sich mit ihm getroffen?«
    »Sie wissen erstaunlich viel über mich.«
    »Ich interessiere mich für Sie.«
    »Glauben Sie, dass ich ihn umgebracht habe?«
    »Ich glaube gar nichts. Ich hoffe, dass Sie es nicht waren.« Thanns Herz klopfte so stark, dass er fürchtete, sie könnte es hören.
    Eva lächelte. »Ich habe ihn getroffen. Sogar zweimal. Das erste Mal am Sonntag, also gestern

Weitere Kostenlose Bücher