Anne - 01 - Anne - 01 - Das Leben wird schöner Anne
Augen und einen so bitteren Zug um den Mund bekommen hatte.
Als die Versetzungsprüfung näher heranrückte, benutzte Anne eine ruhige Stunde, um mit Frau Aspedal zu reden. Sie erklärte, daß sie einige Tage vor der Prüfung ganz für sich haben müsse. Und das sah Frau Aspedal auch ein. Dann sagte Anne so ruhig und nett wie möglich, sie sei sehr dankbar, daß Frau Aspedal es ihr ermöglicht hätte, ins Gymnasium zu gehen, und sie werde ihr das nie vergessen. Aber jetzt sehe sie ein, daß Frau Aspedal auch auf billigere Art Hilfe für den Haushalt bekommen könne. Sie hatte viele Anzeigen in der Zeitung gesehen mit der Überschrift: »Zimmer gesucht gegen Hausarbeit.« Ob Frau Aspedal nicht lieber das einmal versuchen wolle? Denn sie, Anne, müsse sich vom Herbst ab anders einrichten.
Frau Aspedal nahm es ruhig auf. Ja, Anne hatte den Eindruck, als könnte sie eine Erleichterung in ihrem Gesichtsausdruck wahrnehmen. Und die letzte Zeit, während des Examens und gleich hinterher, war angenehm und reibungslos verlaufen.
Anne war trotz allem nicht so erfahren, um die Angelegenheit im Hause Aspedal richtig durchschauen zu können. Nicht einen Augenblick war es ihr eingefallen, daß der eigentliche Grund für die Spannung zwischen den Eheleuten in ihr selber lag. Anne war jung und hübsch, sie wurde mit jedem Tag hübscher. Sie dachte nicht darüber nach, es kam ihr gar nicht in den Sinn, daß Gerda Aspedal es vielleicht nicht gern sah, wenn der Direktor besonders milde gegen Anne war. Sie mochte nun einmal ein so hübsches junges Mädchen nicht mehr in ihrem Hause um sich haben.
Daß diese Eifersucht von Frau Aspedal ganz fehl am Platze war, das war allerdings eine andere Sache. Ihr Mann hatte Anne nie eine andere Freundlichkeit erwiesen, als ein freundlicher Mensch sie eben einem anderen Menschen erweist. Aber Frau Aspedal gehörte zu jenen Frauen, die auf diesem Gebiet immer mißtrauisch sind.
Schließlich trennte Anne sich in Freundlichkeit und gutem Einvernehmen von Aspedals und bedankte sich mit herzlichen Worten für alles Gute im vergangenen Jahr. Frau Aspedal stellte ihr ein gutes Zeugnis aus und sagte ihr aufrichtigen Dank. Anne zog alsbald nach Aurestua.
Die letzte erfreuliche Nachricht, die sie erreichte, bevor sie fortfuhr, war der Bescheid, daß sie ab Herbst die Freistelle in der Schule bekommen würde. Das war für sie ein großer Lichtblick. Es gab ihr auch mehr Mut, den Plan zu verfolgen, den sie sich Ostern zurechtgelegt hatte.
Dieser Plan aber ging darauf aus, im Laufe des Sommers soviel Geld wie nur möglich zusammenzukratzen, so daß sie ein Anfangskapital hätte. Dann wollte sie sich ein Zimmer gegen einige Stunden Haushaltsarbeit suchen, wie es so oft in den Zeitungen angeboten wurde. Damit hätte sie ein Dach überm Kopf und Schulgeldbefreiung. Was sonst noch nötig war, Kleider, Essen und Taschengeld, wollte sie sich durch ihr Stricken verdienen und womöglich durch Nachhilfestunden in Neunorwegisch.
Sie entwickelte Eva und Jess ihren Plan. »Es ist riskant, Anne«, sagte Eva. »Ich würde mich allerdings nicht wundern, wenn du es schaffst. Und du weißt ja, daß du immer bei uns willkommen bist, wenn dein Magen allzu aufdringlich knurren sollte. Es müßte dir doch einmal gelingen, Bierbrotsuppe und Speck mit Äpfeln wirklich gern zu essen.«
Anne zog eine Grimasse. Sie war in keiner Weise wählerisch, aber von all den dänischen Gerichten, die Eva bereitet hatte, gab es zwei, die Anne verabscheute - eben diese beiden, mit denen Eva sie gehänselt hatte. Man stelle sich das vor: eine köstliche Suppe von Sahne und Eiern und gerösteten Brotwürfeln zu machen - und sie dann dadurch zu verderben, daß man Braunbier oben draufgoß! Oder Speck mit Äpfeln zusammen zu braten! Nein, Anne konnte vieles mitmachen, aber bei Apfelspeck und Bierbrotsuppe streikte sie.
Sie beantwortete ein paar Anzeigen wegen eines Zimmers, bekam einen Anruf und ging hin. Und auf Jess’ inständiges Drängen sorgte sie diesmal dafür, eine klare Absprache wegen der Arbeitszeit zu treffen.
Sie hatte Glück. Beim Oberlehrer Hagensen konnte sie ein kleines Zimmer - arg klein, aber was machte das? - mit Heizung bekommen, wenn sie allmorgendlich zwei Stunden Hausarbeit übernehmen wollte. Alle Fußböden sollten gewischt werden. Hie und da mußte sie auch den Aufwasch vom Tage vorher besorgen. Einmal in der Woche sollte sie bügeln, statt die Zimmer zu wischen. Wenn sie sich verpflichtete, dreimal in der Woche im
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