Anne - 02 - Anne - 02 - Anne und Jess, der Weg ins Glück
Strickzeug mit, dann können wir uns viel erzählen. Also Anne, du stopfst deine Zahnbürste in die Tasche und erscheinst pünktlich um achtzehn Uhr. O.K.?“
„Tausend Dank, Britt.“ Anne lächelte, als sie den Hörer aufgelegt hatte - diese Einladung war telefonisch gekommen. Britt hatte sich etwas gefangen. Sie redete wieder ein bißchen in ihrem alten schnoddrigen Jargon. Wenn man ihr aber gegenübersaß und sie ansah, dann konnte man in ihren Augen einen neuen Ausdruck wahrnehmen, und der bittere Zug um den Mund war nicht gewichen.
Sie erwähnte ihre Mutter nur selten. Aber Anne konnte sich so viel zusammenreimen, daß ein Mann mit im Spiele war, ein Mann, den die Mutter heiraten wollte, sobald die Scheidung ausgesprochen war.
Und wieder befiel Anne diese demütige Dankbarkeit. Quer durch alle Mühen und Plagen und Geldnöte, quer durch die Sehnsucht und Müdigkeit hindurch wurde sie sich des Glücks bewußt, auf der Sonnenseite des Lebens zu stehen.
„Mein einziges Annemädchen!
Du bist ein Biest. Wenn ich Dich bei mir hätte, dann würde ich Dich grün und blau prügeln, so wie Du an jenem denkwürdigen Tage warst, als Du versuchtest, Dich auf Möwenfjord über den Steilhang zu stürzen, als Du klein warst, weißt Du?
Daß Du uns allen so mir nichts dir nichts eine solche Enttäuschung bereiten kannst! Monatelang haben wir täglich davon gesprochen: ,Wenn Anne kommt -’, Muttchen hebt ihre besten Konserven auf: ,wenn Anne kommt’; Vater hat etwas von einem größeren Abend mit Theater und Souper hinterher geflüstert, ,wenn Anne kommt’; und ich - ja ich, du lieber Himmel! Ich habe hier in aller Heimlichkeit gesessen und die Blätter im Kalender gezählt, ,bis Anne kommt’.
Und dann kommt Anne nicht!
Im Ernst, Liebste: Natürlich verstehe ich Dich. Und - wie gewöhnlich - ich muß es respektieren. Du hast schon recht, wenn Du sagst, wir sind jung und haben die Zeit vor uns. Es steckt überhaupt viel prächtige Vernunft in allem, was Du mir auftischst. Kannst Du begreifen, daß ich mich in so was schlechthin Vollkommenes wie Dich verlieben konnte? - Also müssen wir alle unsere Hoffnung auf Ostern setzen. Dann müssen wir aber zusammen sein, und wenn Du mir als Nachnahmepaket per Post geschickt wirst. Ich sehne mich krank, Anne.
Und Du wirst die Weihnachtswochen damit zubringen, Schuhe zu verkaufen? Du bist wirklich ein tüchtiges Mädel. Ich bin stolz auf Dich.
Ich habe ein ganz schlechtes Gewissen, wenn ich mir vorstelle, wie Du Dich abrackerst - eine Arbeit immer schlimmer als die andere - während ich hier sozusagen bis an den Hals in Dingen stecke, die mich freuen und die ich am allerliebsten tue!
Aber Du kannst Dich drauf verlassen, ich arbeite auch! Ich habe gerade ein paar kleine Sachen komponiert, die Dir sicher gefallen werden. Ich habe ein paar drollige alte dänische Reime ausgegraben, die ich vertont habe. Und dann arbeite ich an einem kleinen Notturno, von dem ich glaube, daß es ganz gut wird.
Aber das beste von allem, Anne - das muß ich Dir noch schnell erzählen: Mein Lehrer sagte heute, er halte mich für reif genug, ein Konzert zu geben! Denk nur, was das bedeutet!
Über Weihnachten will ich mich ernstlich an Schumanns a-moll-Konzert machen. Dann wird es wohl Ernst werden mit dem Debüt zum nächsten Geburtstag, wenn ich einundzwanzig werde.
Ich mag übrigens gar nicht an meinen letzten Geburtstag denken. Daß ich meine zwanzig Jahre nicht mit Dir zusammen gefeiert habe, war ‘ne verflixte Kiste, wie unser Freund Jörgensen immer sagte. Als ich die Jacke überzog, die Du mir gestrickt hast, da hab ich mir eingebildet, sie sei naß von Deinen Tränen. Das war natürlich Unsinn, denn solche Tränen trocknen sicher beim Dämpfen, nicht wahr??
Aber daß sie mal drin gewesen sind, möchte ich wenigstens annehmen!
Nun ja, Anne, wir müssen ,Kopf hoch’ zueinander sagen. Es kommen auch mal andere Zeiten, da werden wir ständig beisammen sein, laß uns das nicht vergessen!
Trotz allem sind wir zwei Glückspilze, nicht? Ich bin nicht Naturkundler und weiß eigentlich gar nicht, was der Pilz mit dem Glück zu tun hat; weißt Du das?
Muttchen ist schon dabei, Dein Weihnachtspaket zu packen. Wenn sie fertig ist, sause ich damit zur Post. Ich glaube sicher, die Leute denken, ich habe was mit einem der Mädchen in der Paketannahme, weil ich dauernd bepackt dort hinrenne.
Muttchen taucht eben mit ihrem Kopf aus dem Haufen Holzwolle heraus und sagt, ich solle grüßen. Vater
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