Anne - 02 - Anne - 02 - Anne und Jess, der Weg ins Glück
denken!“
„Was tut sie sonst noch? Erzähle!“
„Sie melkt die Kühe, und sie versorgt die Kälber. Und abends sitzt sie am Webstuhl oder strickt.“
„Und wenn die Kinder irgendeinen Kummer haben, dann.“
„Ja, dann gehen wir damit zu unserer Mutter, natürlich.“
„Und was tut sie dann?“ Britts Augen hingen an Annes Mund, dunkel und hungrig.
„Sie versucht uns dann zu helfen, weißt du. Gibt uns gute Ratschläge und so. Aber glaub ja nicht, daß sie nicht auch mit uns schelten könnte! Ach du liebe Güte, sie bringt uns nicht schlecht auf den Trab, wenn wir etwas Dummes getan haben!“
„Aber sie redet auf alle Fälle mit euch, ob sie nun tröstet oder zankt.“
„Ja, das tut sie.“
„Was tut sie sonst noch - ich meine - so für sich? Liest sie? Oder - näht sie manchmal was Hübsches für sich selbst - oder - ja, also -tut sie etwas für sich selbst?“
„Daraus wird nie so sehr viel. Sie hat immer alle Hände voll zu tun, verstehst du. Mit fünf Kindern und drei Enkeln.“
„Ich dachte, da wäre nur ein Enkelkind.“
„Ein Junge von dem Sohn. Aber meine Schwester hat zwei. Die mit der Ziegenzucht, die Björg.“
„Ach ja.“
Sie blieben noch ein Weilchen sitzen. Mit einemmal stand Britt auf. „Wir müssen nach Hause. Es wird dunkel“, sagte sie. Auf dem Heimwege wechselten sie nicht ein Wort.
Britt hat keine Schmerzen mehr
„Gesegnet seien die Hausschuhe“, sagte die junge Frau Unndal. „Ohne die hätten wir Anne nicht gefunden!“
„Haben Sie sich schon klar gemacht, daß Großmama nicht einen einzigen Herzanfall gehabt hat, seit Sie kamen, Fräulein Viken?“ sagte der Sohn, Lores Vater. „Sie wirken wie das verkörperte Herzmittel.“
„Aber nein.“, sagte Anne und errötete über so viel Lob. „Mir ist es nie so gut gegangen wie jetzt. Großmama ist doch der gütigste Mensch der Welt!“
„Halt!“ rief Großmama. „Ich bin keineswegs gütig, ich bin ein Trotzkopf. Das habe ich oft genug zu hören gekriegt, nicht wahr, Herzenssohn und geliebte Schwiegertochter? Ich bin eine Egoistin, liege da und genieße es, daß Anne mir alles schön macht. Und wünsche aus meiner ganzen garstigen Seele, daß sie durchs Examen fallen möge.“
„Aber Großmama!“
„. dann müßte sie wieder von vorn anfangen und könnte das ganze nächste Jahr bei mir sein. Wenn es die Absicht ist, daß ich so lange lebe. Wenn ich nur begreifen könnte, was sich der liebe Gott eigentlich denkt! Junge Menschen sterben, und ich altes nutzloses Wesen liege hier und lebe und lebe und tue nichts weiter als leben!“ „Großmama, du versündigst dich.“
„Durchaus nicht. Ich rede gerade heraus und vernünftig. Der Tod hat nichts Abschreckendes für mich. Gibt es denn etwas Natürlicheres als zu sterben, wenn man alt ist? Ich habe ein reiches Leben gehabt, vergeßt das nicht, und ich finde, es war lang genug. Aber den lieben Herrgott davon zu überzeugen.?“
Die andern schüttelten den Kopf. Diese Großmama! Diese Großmama!
„Und deinen unanständigen Wunsch, daß Anne durchs Examen fallen möge, wird der liebe Gott auch kaum erfüllen“, sagte Herr Unndal. „Wie steht es, Fräulein Viken? Glauben Sie, daß Sie’s schaffen?“
„Ach ja, ich denke doch.“
„Und werden Sie Großmama dann verlassen?“
„Ja, das werde ich wohl müssen!“
„Hört nur das egoistische Frauenzimmer!“ rief Großmama. „Sie sagt nicht einmal ,leider’!“
„Aber Großmama, ich kann doch nicht ,leider’ sagen, wenn ich nach Kopenhagen fahren darf zu meinem Verlobten, den ich seit August nicht gesehen habe.“
„Nein, nein, Kind. Das verstehe ich auch. Ich bin selbst jung und verliebt gewesen - und ich kann dir nichts Besseres wünschen, als daß du eine solche Ehe erleben mögest wie ich.“ Großmamas klare Augen suchten das Bild über der Couch, das Bild eines schönen, grauhaarigen Mannes in mittleren Jahren.
„Großmama!“ sagte Lore, „ich habe Ostern nichts Besonderes vor, und wenn ich dann komme und dich versorge, dann kann Anne mal mit Britt ausfahren, nicht?“
„Das ist großartig, Lore. Mir ist das sehr recht, denn du kannst dich drauf verlassen, Anne wird Ostern ins Freie gejagt. Sie ist viel zu viel drinnen und hockt immer über ihren fürchterlichen Büchern.“ „Großmama, Großmama!“ seufzte Anne.
Nanu?
Anne blickte auf die Uhr. Erst acht - und dann läutete schon das Telefon? Am Palmsonntag morgen?
Sie hörte Großmama sprechen, und dann kam der
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