Anne - 02 - Anne - 02 - Anne und Jess, der Weg ins Glück
Freie. Es ist so warm hier drinnen.“
„Wir können das Verdeck runtermachen.“ Das kleine Auto war ein Kabriolett, das mit wenigen Handgriffen in einen offenen Wagen umzuwandeln war.
„Wir wollen lieber auf die Höhen rauffahren“, sagte Britt, als sie das Verdeck hinten vorschriftsmäßig festgeschnallt hatte. „Dann können wir da oben ein bißchen laufen, wenn du durchaus willst. Wandern und die Aussicht genießen. Ich bin heute besonders dazu aufgelegt, schöne Aussichten zu genießen“, - bei den letzten Worten schnitt sie eine höhnische Grimasse.
Die Straße schlängelte sich in ziemlich steilen Serpentinen nach oben, und Britt schaltete den zweiten Gang ein. Als sie oben angelangt waren, stiegen sie aus und gingen ein Stück durch die Heide. Sie setzten sich auf einen Steinblock und blickten schweigend um sich.
„Ich hab, glaub ich, ‘n Stück Schokolade in der Tasche“, sagte Britt. „Bitte, wenn du was haben willst.“
„Und du?“
„Nein, danke. Hab keinen Appetit.“ Britt starrte vor sich hin. Das Schweigen wurde quälend. Wenn sie doch lieber weinen wollte! dachte Anne. Wenn sie doch bloß etwas sagen wollte - vor allen Dingen reden! Endlich sprach Britt, mit toter, klangloser Stimme: „Was hörst du von Jess?“
„Ach danke. Er schreibt an einer Operette.“
„Er hat so famose Eltern.“
So. Schon wieder war sie bei diesem Thema angelangt. „Ja“, sagte Anne nur.
„Du kommst auch glänzend mit ihnen aus, nicht wahr?“
„Ja, sehr gut. Ich soll sie im Sommer besuchen. Ich freu mich schon drauf.“
„Na ja, klar.“ Dann geriet die Unterhaltung wieder ins Stocken. Die Sonne stieg höher und höher. Es war ein wunderbarer Frühlingstag.
Allmählich drang das Brummen der Autos von der Straße zu ihnen herauf. Sie hatten jetzt die Landstraße nicht mehr für sich allein. Die strahlende Sonne hatte viele zu einem Sonntagsausflug herausgelockt. Britt erhob sich. „Wir können nicht den ganzen Tag hier sitzen bleiben. Wir wollen weiterfahren und irgendwo was machen.
Sie gingen über den heidekrautbewachsenen Hang zur Straße hinüber. In diesem Augenblick sauste ein großes, hellblaues Auto an ihnen vorbei. Die Sonne blitzte in all dem Lack und Chrom.
Britt atmete plötzlich schwer. „Hast du den Wagen eben gesehen?“
„Ich habe nicht drauf geachtet.“
„Das war Vati. Vati - mit ihr.“ Britts Lippen zitterten, als sie sich in den Wagen setzte und auf den Anlasser trat. Sie wischte sich mit der Hand über die Augen. Dann fuhr sie an.
Sie hatten jetzt die Sonne gerade im Gesicht. „Hast du keine Sonnenbrille da, Britt?“
„Hab sie vergessen. Es geht auch ohne.“
Das kleine Auto rollte über die Windungen bergab. Sonne im Gesicht - Sonne im Rücken - Sonne im Gesicht - es wechselte unaufhörlich.
Britt gab mehr Gas. Jetzt hatten sie die Sonne wieder im Gesicht. „Britt!“ Anne schrie auf. Sie schoß von ihrem Sitz hoch, und in dem Augenblick, als der Wagen ins Rutschen kam, warf sie sich auf die Seite, über den Schlag hinweg, umschlang mit den Armen einen Steinblock, und in einer einzigen wahnwitzigen Sekunde war ihr, als würde das Auto unter ihr weggezogen.
Sie klammerte sich fest, kroch auf den Knien, schlängelte sich auf dem Bauch über den Straßenrand hinweg. Und dann lag sie im Straßenstaub und wimmerte wie ein krankes Tier. „Britt! Britt!“ Irgendwo hatte sie Schmerzen. Es stach und piekte in der Seite. Ihre Hände bluteten. Etwas Warmes rann ihr über das Gesicht. Sie faßte sich an die Wange und die Stirn und hatte das seltsame Empfinden, als sei es die Hand eines andern Menschen, die ihr über das Gesicht fuhr. Das war doch nicht sie, das war doch nicht die Anne, die hier auf einer staubigen Landstraße lag und blutete? Es war doch nicht wahr, daß Britt und das Auto über den Straßenrand gestürzt waren? Nein, das war nicht wahr! Sie träumte. Aber es war ein schrecklicher Traum. Jetzt wache ich gleich auf. Ja, jetzt wache ich bald auf.
„Jetzt wache ich auf“, sagte sie plötzlich. Aber kaum hörte sie ihre eigene Stimme, da wußte sie, daß es Wirklichkeit war.
Autoräder streiften dicht an ihr entlang. Bremsen kreischten. „Aber Herrgott.“
Wagenschläge sprangen auf. Menschen sprachen durcheinander. Irgend jemand hob Anne auf. Sie stöhnte vor Schmerz.
Da hörte man eine Frau aufschreien. „Gott im Himmel - seht doch dort.“
Irgend jemand zeigte über den Straßenrand. Anne wischte sich Blut und Staub und Haarsträhnen von
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