Anne - 02 - Anne - 02 - Anne und Jess, der Weg ins Glück
redete.
„Halt jetzt an, Britt. Sei so gut.“ Da verlangsamte Britt endlich die Fahrt und hielt am Straßenrand. Sie blieb sitzen, die Arme auf dem Lenkrad, und starrte vor sich hin.
„So, Britt. Jetzt sprich dich aus. Das brauchst du nämlich.“
„Was soll ich groß sagen? Mein Vater will heiraten.“
„Aber Britt, die Trennungsfrist ist doch noch gar nicht abgelaufen!“
„Das Scheidungsurteil liegt in einer Woche vor. Du weißt - oder das weißt du vielleicht nicht - daß es gewisse Gründe gibt, die eine Scheidung beschleunigen können.“
„Ist es.“, Anne fragte tastend.
„Nein. Es ist meine Mutter. Aber es paßt wohl meinem Vater ganz gut. Er fährt mit der Dame nach Paris. Dort wollen sie heiraten - im Mai - im wunderschönen Monat Mai“, sagte Britt mit schneidendem Gelächter.
„Kennst du - sie?“
„Flüchtig. Aber ich ahnte nicht - ahnte nichts bis gestern abend -da sagte Vati es mir.“ Britt drehte sich jäh zu Anne um.
„Verstehst du denn nicht, daß ich am liebsten vor der ganzen Geschichte davonlaufen möchte? Das war wohl der Grund, weshalb Vati mir den Wagen schenkte. Fahre weg, bitte sehr, und störe nicht - die Flitterwochen.“
„Nein, Britt. Er hat dir das Auto geschenkt, um dir eine Freude zu machen. Dessen bin ich sicher.“
„Da wäre manches andere gewesen, womit er mir mehr Freude gemacht hätte.“
Anne biß sich auf die Lippen. Ihr blutete das Herz vor Mitleid. Und unwillkürlich mußte sie denken: Was würde Großmama gesagt haben? Die kluge, gute, lebenserfahrene Großmama?
„Britt, höre mal. Du weißt, daß dein Vater dich liebt. Und du weißt auch, daß die Liebe, die man für sein Kind empfindet, ganz anderer Art ist als die zu einem Menschen, den man heiraten will.“ „Ja ja, ich weiß schon. Das Kind kommt in zweiter Linie. Das brauchst du mir nicht zu erzählen. Das hab ich schließlich am eigenen Leib zu spüren bekommen.“
„Britt - Liebste! Dies alles ist so entsetzlich, daß du es nicht noch schlimmer machen darfst. Die Frau, die dein Vater liebt - sie nimmt dir doch nichts fort! Die Vaterliebe bleibt doch dieselbe - und die Frau bekommt die andere Art Liebe - das mußt du doch verstehen, Britt!“
„Ich verstehe nur, daß ich im Wege bin. Mutti bin ich im Wege, Vati bin ich im Wege. Wenn ich Vati jetzt bitte, er möchte mich ins Ausland gehen lassen, dann war er heilfroh und würde mich mit dem ersten Schiff auf die Reise schicken. Eine erwachsene Tochter, die einem um die Beine läuft, paßt nun einmal nicht in ein junges Eheglück!“ Britts Stimme klang so scharf, daß sie Anne in die Ohren schnitt.
„Aber Britt.“, Anne sprach unsicher und vorsichtig, es war furchtbar schwierig für sie - „dein Vater ist kein alter Mann. Erwartest du von ihm, daß er für den Rest seines Lebens als - als...“
„Du meinst, als Mönch leben soll? Nein, gewiß nicht. Aber hätte es nicht genügt, daß mich einer zur Zeit verließ? Muß ich denn durchaus beide Eltern im Laufe eines halben Jahres hergeben?“
„Du gibst sie doch gar nicht her, Britt!“
„Und ob ich das tue! Verdammt noch mal!“ Anne zuckte zusammen. Sie hatte Britt noch nie fluchen hören.
„Du verstehst dies alles nicht, Anne. Du hast dein sicheres Zuhause in Möwenfjord. Du hast eine Mutter, die eine ehrliche und redliche Witwe ist. Du hattest einen Vater, der als anständiger, treuer Mann starb. Du verstehst das nicht!“
„Britt - es ist so schrecklich traurig - aber es kommt doch vor, daß zwei Ehegatten eines Tages merken, sie passen nicht zusammen.“
„Das hat aber lange gedauert, bis sie das gemerkt haben! In drei Jahren sollten sie Silberhochzeit feiern. O nein, Mutti hat sich in einen andern vergafft, und dann heißt es eben, auf und davon und Mann und Kind und Heim im Stich gelassen - und natürlich sieht der Vater sich nach einer passenden Nachfolgerin um; eins-zwei-drei ist das Fräulein da, und alles ist eitel Freude und Sonnenschein - aber was wird aus mir?“
Anne hätte laut heulen können vor Erbarmen. Wenn sie dann wenigstens die richtigen Worte finden könnte - ach, wenn sie doch nicht in einem Auto auf der Landstraße säßen, sondern zu Haus in Großmutters Zimmer - wenn Großmama mit Britt reden könnte, Großmama mit all ihrer Klugheit und ihrem warmen Herzen!
Aber da saßen nun die beiden unerfahrenen jungen Mädchen, jung, hilflos, die eine voller Bitterkeit, die andere voll ratlosem Mitgefühl.
„Komm, Britt, wir gehen ein bißchen ins
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