Anne - 03 - Anne - 03 - Anne, der beste Lebenskamerad
in der Farbe des Musters, und dann ein breiterer in der Grundfarbe, und dann beginnt das Muster. Während die Männerfäustlinge diese drei schmalen Streifen mitten durch den verschränkt gestrickten Rand haben - das ist Tradition, ich weiß nicht, ob das eine besondere Bedeutung hat, aber so ist es nun mal.“
Diese Begegnung zwischen den beiden, der kleinen, dunkelhäutigen königlichen Frau und dem hellen, norwegischen Mädchen, war etwas Seltsames. Die beiden Menschen waren so verschieden wie nur möglich - und dennoch. Bei dem Wort Tradition nickte die Prinzessin. Das war etwas, das ihr vertraut war, gehörte sie doch selbst einer Welt an, bei der die Tradition wie ein roter Faden durch das ganze Dasein geht.
Sie warf der Kammerzofe ein paar Worte hin, worauf diese verschwand; gleich darauf kam der junge Prinz herein. Er war dunkelhäutig und schwarzäugig und fremdartig, aber er trug europäische Kleidung und sprach ein wunderschönes OxfordEnglisch.
Anne sah und hörte mit Verwunderung, daß die Mutter ihren Sohn nicht fragte, was er haben wolle. Sie zeigte ihm ein Muster und sagte kurz und bündig, dies gedenke sie für ihn zu bestellen. Und der Sohn antwortete in ehrerbietigem Ton ein paar Worte in ihrer eigenen Sprache.
„Wir reisen morgen zusammen ab“, sagte die Prinzessin. „Wir fahren nach Schweden. In einer Woche kommen wir zurück und bleiben - wie war es doch, Dayalshee - wir sind auf dem Rückweg noch einmal vierundzwanzig Stunden hier, nicht wahr?“ Der Sohn bejahte es.
„Also in einer Woche! Können Sie uns die Jacke und die Fausthandschuhe in dieser Zeit fertigstellen, Mrs. Daell?“
„Selbstverständlich, Your Royal Highness. Ich werde beides selber stricken“, fügte Anne hinzu. Die Prinzessin lächelte.
„So jung, wie Sie sind, und da haben Sie schon ein eigenes Geschäft?“ sagte sie. „Wie alt sind Sie?“
„Zweiundzwanzig, Your Royal Highness“, sagte Anne. Anne kam wieder in die Halle herunter. Etliche Augenpaare folgten ihr. Und sie wurde ehrerbietig aus der Drehtür hinauskomplimentiert.
„Und dies“, sagte Anne bei sich, als sie über den Kongens Nytorv ging, „dies ist nun die Anne von der Möwenbucht!“
Allerdings mußte sie sich jetzt tüchtig ins Zeug legen. Es hieß, die Nacht zu Hilfe zu nehmen - aber das tat sie gern. Es kam nicht alle Tage vor, daß man der Ehre teilhaftig wurde, eine Originaljacke aus handgesponnener Wolle mit handgetriebenen silbernen Knöpfen für einen indischen Prinzen zu machen!
Als sie abends nach Hause kam, zum Platzen voll von all den Neuigkeiten, die sie zu berichten hatte, ging das Telefon, ehe sie noch ein Wort hatte anbringen können. Onkel Herluf nahm den Hörer ab.
„Für dich, Anne - vom Angleterre.“
„Herrjemine, welch fürnehme Kundschaft“, flüsterte Eva. Aber sowohl Onkel Herluf als auch Eva staunten, als sie hörten, wie ihre kleine, bescheidene Schwiegertochter ihr bestes Englisch auspackte und sagte:
„Yes, Your Royal Highness - Of course, Your Royal Highness -Yes, of course, just the same pattern - and your size, Your Royal Highness? - O, it will be a great pleasure to me, Your Royal Highness!“
Als Anne den Hörer aufgelegt hatte und sich umwandte, lachte sie hell auf.
Schwiegervater und Schwiegermutter hatten sich in ihre Sessel fallen lassen, saßen mit offenem Munde da, mit Augen, so groß wie Zinnteller, und brachten kein Wort heraus.
„Was - äh -?“ stotterte Eva endlich.
„Aber was sitzt ihr denn so verdonnert da? Es war nur einer meiner Kunden! Er hat eine Jacke und ein Paar Fausthandschuhe bei mir bestellt, und nun hat er angefragt, ob er auch noch ein paar Strümpfe haben könnte; weiter war nichts!“
„Anne - seit wann bist du Königliche Hofstrickerin geworden?“
„Heute, liebe Schwiegereltern.“ Sie fing wieder an zu lachen. „Wenn ihr wüßtet, wie ihr ausseht. Ihr seht genauso aus wie die Schafe zu Hause in Möwenbucht, wenn sie zum erstenmal im Frühjahr ‘rausgelassen werden.“
„Junge Schwiegertochter“, sagte Onkel Herluf. „Wenn du nicht zufällig in diesem Zustand wärest, weshalb man also auf dich Rücksicht nehmen muß, dann hätte ich meinen Geigenbogen auf deinen vier Buchstaben tanzen lassen!“
„Onkel Herluf“, sagte Anne vorwurfsvoll, „man verhaut nicht einen Königlichen Hoflieferanten!“
Einzugssorgen
„Ich begreife es nicht“, sagte Anne. „Ich begreife nicht, woher es kommt. Wie kann ich nur das Glück in solchem Maße auf meiner Seite
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