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Anne auf Green Gables

Anne auf Green Gables

Titel: Anne auf Green Gables Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Maud Montgomery
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gegangen, wo sie das Pferderennen sehen konnten. Mrs Lynde ist allerdings nicht mitgekommen. Sie meinte, Pferderennen seien etwas ganz Schädliches und sie als Mitglied der Kirche hätte die Pflicht, mit gutem Beispiel voranzugehen und dem Rennen fernzubleiben. Es waren allerdings so viele Leute da, dass Mrs Lyndes Abwesenheit wahrscheinlich niemandem aufgefallen ist. - Dann haben wir noch einen Mann mit einem Ballon fliegen sehen. Ich würde so gerne auch einmal mit einem Ballon fliegen, Marilla! Es muss einfach himmlisch sein. Da war auch noch ein Mann, der die Zukunft Voraussagen konnte. Man musste ihm zehn Cents bezahlen, dann pickte ein kleiner Vogel nach einer Karte, auf der man etwas über seine Zukunft lesen konnte. Auf meiner stand, dass ich einen dunkelhaarigen, sehr reichen Mann heiraten und mit ihm über das Wasser fahren würde, um mit ihm in einem fernen Land zu leben. Ich habe mir danach alle dunkelhaarigen Männer sorgfältig angeschaut, aber keiner von ihnen hat mir besonders gefallen. - Ach, es war ein unvergesslicher Tag, Marilla! Ich war so müde, dass ich nachts nicht einschlafen konnte. Miss Barry hat uns im Gästezimmer einquartiert - genau wie sie es versprochen hatte. Es war ein elegantes Zimmer, Marilla, aber irgendwie ist es doch nicht so schön, in einem Gästezimmer zu schlafen, wie ich mir das immer vorgestellt habe. Ich glaube, das ist das Schlimmste am Erwachsenwerden: Die Dinge, die man als Kind so gerne haben wollte, sind gar nicht mehr so wunderbar, wenn man sie schließlich bekommt.«
    Am Donnerstag hatten sie einen Ausflug in den großen Stadtpark gemacht. Abends hatte Miss Barry sie dann mit in ein Konzert in der Musikakademie genommen, wo eine bekannte Primadonna einen Liedervortrag gab. Das war für Anne ein ganz besonderes Erlebnis. »Ich war so aufgeregt, Marilla, dass ich noch nicht einmal sprechen konnte - und das will schon einiges heißen, wie du weißt. Die Sängerin war wunderschön und zu ihrem Kleid aus weißem Satin trug sie glitzernde Diamanten. Als sie zu singen begann, schien die Welt um mich zu versinken. Es war, als würde ich in die Sterne schauen. Tränen traten mir in die Augen. Ach, es ging viel zu schnell vorbei. Ich wusste gar nicht, wie ich jemals wieder ins normale Leben zurückfinden sollte, und Miss Barry meinte, vielleicht würde mir ein großer Eisbecher im Restaurant gegenüber dabei helfen. Sie hatte Recht: Das Eis schmeckte köstlich, Marilla! - Diana sagte, sie wäre für das Stadtleben geboren. Miss Barry fragte mich nach meiner Meinung, aber ich sagte ihr, ich müsse mir die Antwort erst gut überlegen. Also dachte ich vor dem Einschlafen darüber nach — ich finde, das ist sowieso die beste Zeit zum Nachdenken - und kam zu dem Schluss, dass ich nicht für das Stadtleben geboren bin. Ab und zu mag es sehr schön sein, abends um elf nach einem Konzert noch einen Eisbecher zu verzehren, aber im Allgemeinen möchte ich um diese Zeit doch lieber in meinem Zimmer im Ostgiebel liegen und wissen, dass die Sterne vor meinem Fenster leuchten und der Wind draußen in den Tannen rauscht. Das habe ich Miss Barry am nächsten Morgen beim Frühstück erzählt. Sie hat gelacht. Miss Barry lacht sowieso über fast alles, was ich sage — selbst über die ernsthaftesten Dinge. Ehrlich gesagt gefällt mir das nicht besonders an ihr. Aber sie ist eine sehr gastfreundliche alte Dame und hat uns ganz wunderbar bewirtet.«
    Am Freitag fuhr dann Mr Barry in die Stadt, um die beiden Mädchen abzuholen.
    »Nun, ich hoffe, es hat euch gefallen«, sagte Miss Barry zum Abschied. »Und wie es uns gefallen hat!«, antwortete Diana.
    »Dir auch, kleine Anne?«
    »Ich habe jede einzelne Minute genossen«, rief Anne, schlag ihre Arme um den Hals der alten Frau und drückte ihr einen Kuss auf die Wange.
    Miss Barry stand auf der Veranda und winkte den beiden kleinen Mädchen noch lange nach. Dann ging sie seufzend in ihr großes Haus zurück. Sie fühlte sich plötzlich sehr einsam.
    >Ich habe Marilla Cuthbert für eine Närrin gehalten, als ich hörte, dass sie ein Waisenkind adoptiert hat<, dachte sie. >Aber jetzt glaube ich, sie hat genau das Richtige getan. Wenn ich ein Kind wie Anne im Haus hätte, wäre auch ich eine glücklichere Frau.<
    Für Anne und Diana war die Heimfahrt genauso angenehm wie die Hinfahrt - ja, sogar noch angenehmer, denn am Ende der Reise wartete ihr Zuhause auf sie. Die Sonne ging gerade unter, als sie bei White Sands auf die Küstenstraße

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