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Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung

Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung

Titel: Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
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so schlecht. – »Ich würde ganz gut mit ihnen fertig, wenn sich nur Mary nicht ständig einmischen würde«, hörte Anne ihn oft sagen und fühlte sich sehr geneigt, ihm zu glauben; wenn sie dagegen Mary klagen hörte: »Charles verwöhnt die Kinder so, daß ich sie überhaupt nicht zur Ordnung rufen kann«, war sie nie im geringsten versucht zu sagen: »Wie wahr.«
    Überhaupt war einer der lästigsten Aspekte ihres Aufenthalts, daß alle Parteien ihr zu sehr vertrauten und sie zu viel Kenntnis von den Klagen hatte, die ein Haus über das andere führte. Wenn jemand Einfluß auf ihre Schwester nehmen konnte, dann Anne, und so empfing sie von allen Seiten mehr oder weniger deutliche Winke, ihn auszuüben, oft weit über den Rahmen des Durchführbaren hinaus. »Ich wünschte, du könntest Mary dazu bringen, sich nicht immerfort irgendwelche Krankheiten einzubilden«, so Charles; und wenn sie düsterer Stimmung war, äußerte Mary: »Ich glaube ernsthaft,Charles könnte mir beim Sterben zusehen, ohne auf die Idee zu kommen, daß mir etwas fehlt. Ich weiß genau, Anne, wenn du wolltest, dann könntest du ihm klarmachen, wie elend ich dran bin – viel elender, als man’s mir anmerkt.«
    Von Mary hörte sie: »Ich schicke die Kinder so ungern ins große Haus hinüber, obwohl ihre Großmama ständig nach ihnen verlangt – sie verzieht sie derart und stopft sie mit so viel Unfug und süßem Zeug voll, daß sie mir jedesmal mit verdorbenem Magen heimkommen und den restlichen Tag unausstehlich sind.« – Und Mrs. Musgrove sagte, kaum daß sie einmal mit Anne allein war: »Ach, Miss Anne, was würde ich nicht darum geben, wenn sich Mrs. Charles ein wenig von Ihrer Art mit den Buben abschauen würde. Man erkennt sie kaum wieder, wenn Sie mit dabei sind. Aber sie werden ja auch dermaßen verwöhnt! Wirklich ein Jammer, daß Sie Ihre Schwester nicht ein wenig anleiten können, wie sie sie anpacken muß. Sie sind so prächtig und gesund, wie man sich’s nur wünschen kann, die armen Herzchen, das sage ich ganz unparteiisch, aber Mrs. Charles wird einfach nicht mit ihnen fertig! – Meiner Treu, wie beschwerlich sie manchmal sind! – Unter uns gesagt, Miss Anne, ich mag sie schon viel weniger hierhaben, als ich eigentlich sollte. Ich glaube, Mrs. Charles ist mir bald gram, daß ich sie nicht öfter herüberhole; aber es ist einfach schrecklich, Kinder um sich zu haben, die man fortwährend ermahnen muß, ›tut dies nicht, tut das nicht‹, und die nur dann halbwegs folgen, wenn sie mehr Kuchen kriegen, als gut für sie ist.«
    Und Folgendes hörte sie von Mary: »Mrs. Musgrove hält alle ihre Dienstboten ja für so zuverlässig, daß jeder, der daran zweifeln wollte, Hochverrat begeht; aber ich könnte dir schwören, ohne jede Übertreibung, daß ihre Hausmädchen und die Waschfrau sich, statt ihre Arbeit zu tun, den lieben langen Tag nur im Dorf herumtreiben. Ich treffe sie auf Schritt und Tritt, und ich sage dir, ich kann nicht zweimal hintereinander in mein Kinderzimmer gehen, ohne daß sich eine von ihnen dort herumdrückt. Wenn Jemima nicht dasverläßlichste, vertrauenswürdigste Geschöpf auf Gottes Erdboden wäre, hätten sie ihr sicher schon Flausen in den Kopf gesetzt; denn sie sagt mir, daß sie sie andauernd überreden wollen, mit ihnen spazierenzugehen.« Und von Mrs. Musgrove bekam sie mit auf den Weg: »Ich hab es mir ja zur Regel gemacht, mich nicht in die Angelegenheiten meiner Schwiegertochter einzumischen, denn ich weiß, das führt zu nichts, aber
Ihnen
sag ich es, Miss Anne, weil Sie vielleicht etwas bewirken können: ich habe keine gute Meinung von Mrs. Charles’ Kinderfrau; ich höre seltsame Geschichten über sie; ständig streunt sie herum; und aus eigener Anschauung kann ich Ihnen sagen, sie putzt sich derartig heraus, daß man gar nicht darüber nachdenken mag, was für einen Einfluß das auf andere Dienstboten hat. Mrs. Charles schwört ja auf sie, aber ich gebe Ihnen einfach diesen Wink, damit Sie die Augen offenhalten können, und sollten Sie irgend etwas bemerken, was nicht seine Richtigkeit hat, sagen Sie es nur gradeheraus.«
    Mary wiederum beklagte sich, daß Mrs. Musgrove ihr, wenn sie mit anderen Familien im Gutshaus speisten, so oft den Vortritt nehme, der ihr doch schließlich zukam; sie sehe keinen Grund, warum sie so sehr als Tochter des Hauses betrachtet werden solle, daß sie ihres rechtmäßigen Platzes verlustig gehe. Und als Anne einmal nur mit den Miss Musgroves

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