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Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung

Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung

Titel: Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
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an. Ein paar gemeinsame Themen wurden gestreift, ohne daß er oder sie dadurch viel schlauer geworden wären, und Anne wurde den Eindruck nicht los, daß er befangener war als früher. Ihr vieles Zusammensein hatte sie beide einen Ton augenscheinlicher Gleichgültigkeit und Gelassenheit gelehrt; aber in diesen Ton fand er nun nicht hinein. Die Zeit hatte ihn verändert, oder vielleicht war es Louisa; irgend etwas hemmte ihn jedenfalls. Dabei sah er äußerst wohl aus, beileibe nicht so, als hätten seine Gesundheit oder seine Lebensgeister gelitten, er sprach von Uppercross, von den Musgroves, ja selbst von Louisa, und einen Moment lang blitzte in seinem Auge bei ihrer Erwähnung sogar etwas von seinem typischen, vielsagenden Schalk auf; doch es war kein lockerer, freier Captain Wentworth, der hier vor ihr stand, und er vermochte auch nicht so zu tun.
    Überrascht war Anne nicht, aber es traf sie, daß Elizabeth ihn schnitt. Sie sah, wie er Elizabeth sah, wie Elizabeth ihn sah, wie jeder für sich den anderen sehr wohl erkannte; sie meinte zu sehen, wie er sich schon auf einen Gruß einstellte, ja fest damit rechnete, und mußte zuschauen, wie ihre Schwester sich kalt und unnahbar abwandte.
    Lady Dalrymples Kutsche, von Miss Elliot zuletzt mit größter Ungeduld erwartet, fuhr nun vor; der Lakai kam herein, um sie anzukündigen. Es fing wieder zu regnen an, und alles in allem ergab sich daraus eine Stockung, eine Geschäftigkeit, ein Hin und ein Her, bis noch der letzte der kleinen Menschenschar im Laden begriffen hatte, daß Lady Dalrymple da war, um Miss Elliot abzuholen. Schließlich aber traten Miss Elliot und ihre Freundin, geleitet von niemandem als dem Lakaien (denn der Vetter war noch nicht wieder aufgetaucht), ins Freie, und Captain Wentworth wandte den Blick von ihnen ab und bot Anne, mehr durch eine Gebärde als mit Worten, seine Dienste an.
    »Das ist sehr nett von Ihnen«, war ihre Antwort, »aber ich fahre nicht mit. In der Kutsche ist kein Platz für so viele. Ich gehe zu Fuß. Mir ist Zufußgehen lieber.«
    »Aber es regnet doch.«
    »Ach! nur ein bißchen. Nicht der Rede wert.«
    Eine kurze Pause, dann sagte er: »Ich bin zwar erst gestern angekommen, aber ich habe mich schon für Bath ausgerüstet, wie Sie sehen« (er zeigte auf einen neuen Regenschirm) – »vielleicht möchten Sie den ja nehmen, wenn Sie partout zu Fuß gehen wollen; obwohl ich es weit vernünftiger fände, Sie ließen mich eine Chaise 12 rufen.«
    Sie dankte ihm sehr, lehnte jedoch alles ab – versicherte noch einmal, daß der Regen bestimmt gleich aufhören würde, und fügte hinzu: »Ich warte nur noch auf Mr. Elliot. Er müßte jeden Moment hier sein.«
    Sie hatte den Satz kaum vollendet, als Mr. Elliot hereinkam. Captain Wentworth erkannte ihn auf der Stelle. Es war derselbe Mann, der an der Treppe in Lyme gestanden und Anne so bewundernd nachgesehen hatte, nur daß sein Verhalten, sein Ausdruck, seine ganze Art jetzt die eines privilegierten Verwandten und Freundes waren. Raschen Schritts trat er ein, schien keinen Blick, keinen Gedanken für etwas außer Anne übrigzuhaben, entschuldigte sich für sein Ausbleiben,voll Bedauern, daß er sie hatte warten lassen, und war nur bestrebt, sie ohne weiteren Verzug von hier fortzubringen, ehe der Regen stärker würde; im nächsten Moment brachen sie zusammen auf, Annes Arm in seinem, und ein sanft-verlegener Blick und ein »Auf Wiedersehen« war alles, wofür sie im Gehen noch Zeit fand.
    Kaum waren sie außer Sicht, begannen die Damen aus Captain Wentworths Gruppe über sie zu reden.
    »Mr. Elliot hat etwas übrig für seine Kusine, kann das sein?«
    »O ja, das ist offensichtlich. Man kann sich ausrechnen, was sich da anbahnt. Er ist ständig bei ihnen; er wohnt praktisch dort, was man so hört. Was für ein ausnehmend gutaussehender Mann!«
    »Ja, und Mrs. Atkinson, die einmal zusammen mit ihm bei den Wallises eingeladen war, sagt, er ist der liebenswürdigste Gesellschafter, den sie je erlebt hat.«
    »Sie ist hübsch, finde ich, Anne Elliot; sehr hübsch sogar, wenn man nur richtig hinsieht. Das mag nicht die gängige Meinung sein, aber ich muß sagen, sie gefällt mir besser als ihre Schwester.«
    »Mir auch, unbedingt!«
    »Und mir auch. Gar kein Vergleich. Aber die Männer reißen sich alle nur um Miss Elliot. Anne ist ihnen zu fein.«
    Anne wäre ihrem Vetter ungemein dankbar gewesen, wenn er den ganzen Weg bis zum Camden Place ohne ein Wort neben ihr hergegangen wäre.

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